Eine neue Studie beleuchtet erstmals, wie sich die Wahl der Prostatakrebs-Therapie speziell auf die sexuelle Gesundheit homo- und bisexueller Männer auswirkt. Das Ergebnis: Je nach bevorzugter Sexualpraktik kann die eine oder andere Behandlung Vorteile bieten – und damit die Lebensqualität entscheidend beeinflussen. Die Erkenntnisse stammen aus der RESTORE-2-Studie, veröffentlicht im Fachjournal Prostate Cancer and Prostatic Diseases.

Warum bisherige Forschung oft an der Realität vorbeigeht

Bisherige Studien zu Sexualität nach Prostatakrebs konzentrierten sich fast ausschließlich auf heterosexuelle Männer und deren Fähigkeit zur vaginalen Penetration. Die spezifischen Bedürfnisse von Männern, die Sex mit Männern haben, wurden weitgehend ausgeblendet. Dabei spielen bei ihnen unterschiedliche Faktoren eine Rolle – von der Erektionsfähigkeit und Penislänge bis zur Schmerzfreiheit beim rezeptiven Analverkehr. Gerade letzterer ist eng mit der Prostata als Lustorgan verbunden. Das macht die Behandlungsauswirkungen komplexer und individueller.

Zwei gängige Therapieoptionen im Vergleich

In die Analyse flossen Daten von 154 Männern mit lokal begrenztem Prostatakarzinom ein, von denen 127 eine radikale Prostatektomie, die chirurgische Entfernung der Prostata, und 27 eine externe Strahlentherapie, die gezielte Bestrahlung von außen, erhalten hatten.

Bei allen Männern lag die Behandlung mindestens zwei Jahre zurück und sie hatten keine antihormonelle Therapie bekommen. Zur Erfassung der sexualmedizinischen Folgen nutzten die Forschenden die „Sexual Minorities and Prostate Cancer Scale“ (SMACS), ein speziell validiertes Messinstrument.

Deutliche Unterschiede bei Nebenwirkungen

Im Ergebnis zeigte sich, dass nach radikaler Prostatekromie häufiger Erektionsprobleme beim Kondomgebrauch (51 % vs. 27 % bei EBRT) auftraten, dass der Penis an Länge oder Umfang (69 % vs. 49 %) verlor sowie, dass es beim Orgasmus häufiger zu einem unwillkürlichen Urinabgang kam (59 % vs. 11 %).

Nach Strahlentherapie berichteten die Betroffenen hingegen häufiger von Schmerzen beim rezeptiven Analverkehr (33 % vs. 14 % nach radikaler Prostatektomie). In Bezug auf Orgasmusqualität, Selbstvertrauen und generelle sexuelle Zufriedenheit gab es hingegen keine signifikanten Unterschiede.

Was bedeutet das für die Therapieentscheidung?

Die Autorinnen und Autoren leiten aus den Daten ab, dass:

  • Männer, die überwiegend insertiv sexuell aktiv sind (Penetration beim analen oder vaginalen Verkehr), möglicherweise mehr von einer Bestrahlung profitieren könnten, da hier Erektionsfähigkeit und Penislänge seltener beeinträchtigt würden.
  • Männer, die vor allem rezeptiv sexuell aktiv sind („Bottoms“), eher von einer radikalen Prostatektomie profitieren könnten, da diese seltener mit Schmerzen beim passiven Analverkehr einhergehe.
    Auch Inkontinenzprobleme während des Geschlechtsverkehrs traten nach einer Bestrahlung seltener auf – ein wichtiger Punkt für die Lebensqualität der Männer.

Einschränkungen der Studie

Die Untersuchung hatte jedoch auch ihre Grenzen. So war beispielsweise die bestrahlte Gruppe klein, die Teilnehmer waren überwiegend cis Männer (Männer, die sich mit ihrem bei der Geburt zugeordneten männlichen Geschlecht identifizieren). Zudem fehlten Vergleichsdaten zum Sexualleben vor der Behandlung. Unklar ist auch, so die Autoren, ob sich die Ergebnisse auf trans Männer oder andere Geschlechteridentitäten übertragen lassen.

Fazit: Mehr Individualität bei der Therapiewahl

Trotz der genannten Einschränkungen liefere die Studie wichtige Impulse für eine sexualitätsorientierte Krebsmedizin. Bei der Therapiewahl gehe es nicht nur um das Tumorstadium und die allgemeine Gesundheit, sondern ebenso um die sexuelle Orientierung, bevorzugte Sexualpraktiken und auch die individuellen Bedürfnisse der Patienten.

Für homo- und bisexuelle Männer bedeutet das: Wer seine Vorlieben kennt und offen kommuniziert, kann gemeinsam mit dem Behandlungsteam eine Therapie wählen, die sowohl medizinisch wirksam ist als auch zur sexuellen Identität passt.

Weitere Informationen zu Lebensqualität und Prostata

Wenn Sie sich darüber hinaus für die Prostata, das Prostatakarzinom oder auch die Lebensqualität bei Krebs interessieren, nutzen Sie gern die folgenden Links der Urologischen Stiftung Gesundheit:

  1. Fortgeschrittener Prostatakrebs wie bei Joe Biden: Lebensqualität beeinflusst das Überleben
  2. Sexualmedizin
  3. Die Prostatakrebs-Leitlinie ist aktualisiert: PSA-Test ersetzt die Tastuntersuchung bei der Früherkennung
  4. PROSTATA – Der wunde Punkt des Mannes

Quelle

Dickstein DR et al., Treatment choice and sexual health outcomes in gay and bisexual men with prostate cancer. Prostate Cancer Prostatic Dis 2025.