Sie wird die Früherkennung, die Diagnostik und die Behandlung von Prostatakrebs in Deutschland verändern: Die nun veröffentlichte 8. Version der „S3-Leitlinie Prostatakarzinom“ gilt als die umfassendste Aktualisierung der Leitlinie seit ihrem Bestehen. Sogenannte S3-Leitlinien beruhen auf dem besten derzeit verfügbaren Wissen und geben Ärzt:innen und Patient:innen in ganz Deutschland Handlungsempfehlungen auf dem höchsten wissenschaftlichen Qualitätsstandard. Die wohl wichtigste Neuerung in der aktualisierten Prostatakrebs-Leitlinie betrifft die Früherkennung – statt der Tastuntersuchung ist nun der PSA-Test neuer Standard. Neu ist im Besonderen auch der verstärkte Einsatz der Magnetresonanztomografie (MRT) bei der Diagnostik sowie die Empfehlung zur aktiven Überwachung bei der Behandlung von lokal begrenztem Prostatakrebs mit niedrigem Risiko.
Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung des Mannes in Deutschland
Prostatakrebs ist mit rund 74.900 Neuerkrankungen im Jahr 2022 hierzulande die häufigste Krebserkrankung des Mannes: Die „S3-Leitlinie Prostatakarzinom“ ist deshalb die wichtigste Leitlinie in der Urologie. Sie ermöglicht es, dass Männer sowohl bei der Früherkennung als auch bei der Diagnostik und der Therapie von Prostatakrebs immer nach dem neuesten Stand der Wissenschaft versorgt werden. Das jüngste Update der Prostatakrebs-Leitlininie wurde federführend von der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU), gemeinsam mit weiteren Fachgesellschaften sowie Patientenvertretern des Bundesverbandes Prostatakrebs Selbsthilfe e. V., im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. erstellt.
Früherkennung: Was genau ändert sich mit der neuen Prostatakrebs-Leitlinie?
Erstmals wird in der aktualisierten Leitlinie die Tastuntersuchung der Prostata über den Enddarm (digitale rektale Untersuchung, kurz DRU) zur Früherkennung ausdrücklich nicht mehr empfohlen. Stattdessen soll Männern ab 45 Jahren, die nach ärztlicher Beratung eine Früherkennung wünschen, ein Screening auf Basis des PSA-Tests angeboten werden. Der Wert des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) wird mit einer Blutabnahme bestimmt.
„Studien zeigen, dass die Tastuntersuchung dem PSA-Test deutlich unterlegen ist. Sie führt sowohl zu zu vielen falsch-negativen als auch zu vielen falsch positiven Befunden, deren weitere Abklärung mit Risiken verbunden ist. Die neue Empfehlung gegen die DRU und für die neue PSA-basierte Strategie ist ein Beispiel für evidenzbasierte, risikoadaptierte Früherkennung“, erklärt der Urologe und Koordinator der Leitliniengruppe, Prof. Dr. Marc-Oliver Grimm in einer Pressemitteilung der DGU und der DKG.
Wie geht es nach dem PSA-Test weiter?
Je nach Höhe des PSA-Wertes sieht die Leitlinie eine risikoadaptierte Früherkennungsstrategie mit unterschiedlichen Intervallen für die nächste Kontrolluntersuchung vor.
- Bei einem PSA-Wert unter 1,5 ng/ml soll der nächste Test erst nach fünf Jahren erfolgen.
- Bei einem PSA-Wert zwischen 1,5–2,99 ng/ml soll die nächste Kontrolle nach zwei Jahren erfolgen.
- Ab einem PSA-Wert von 3 ng/ml ist eine weiterführende Abklärung vorgesehen.
Weitere Diagnostik: Was passiert bei einem erhöhten PSA-Wert?
Ab einem PSA-Wert von 3 ng/ml soll laut Leitlinie nun eine individuelle Risikoabschätzung erfolgen. Dabei werden zum Beispiel die familiäre Vorbelastung und die Größe der Prostata berücksichtigt. Bei einem bestätigten Risiko empfiehlt die Leitlinie nun als zweiten Diagnose-Schritt eine Magnetresonanztomografie (MRT) der Prostata. Diese kann aggressiven Prostatakrebs früh entdecken und erlaubt eine weitere Risikoabschätzung anhand des sogenannten PI-RADS-Scores auf einer Skala von eins bis fünf. Nächster diagnostischer Schritt ist ggf. eine Biopsie, also eine Gewebeentnahme aus der Prostata. Auch an dieser Stelle greift eine weitere wesentliche Neuerung der aktualisierten Leitlinie: Bei PI-RADS 1 und 2-Befunden, die auf eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit von Prostatakrebs hinweisen, soll keine Biopsie durchgeführt werden.
Was bedeuten die neuen Empfehlungen für die Früherkennung von Prostatakrebs?
Eine einfache Blutentnahme zur Bestimmung des PSA-Wertes statt der schambesetzten Tastuntersuchung durch den Enddarm: Der neue Standard bei der Früherkennung kann dazu beitragen, dass mehr Männer die Untersuchung wahrnehmen. Dass die bisher jährlich empfohlenen Wiederholungsuntersuchungen für die überwiegende Zahl von Männern mit sehr niedrigem PSA-Wert auf 5-jährliche Intervalle reduziert werden, dürfte ebenfalls zur Akzeptanz der neuen risikoadaptierten PSA-basierten Früherkennung beitragen. Ziel ist es, sowohl die Prostatasterblichkeit und die Zahl unheilbarer Prostatakrebserkrankungen zu reduzieren als auch das Risiko von Überdiagnosen und Übertherapien zu verringern.
Werden die Kosten für PSA-Test und MRT von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet?
Im Rahmen der gesetzlichen Krebsfrüherkennung hat jeder Mann ab dem 45. Lebensjahr derzeit Anspruch auf eine jährliche Krebsfrüherkennungsuntersuchung, die eine Tastuntersuchung der Prostata, der regionären Lymphknoten und der äußeren Geschlechtsorgane sowie eine Beurteilung der Haut umfasst. PSA-Test und MRT zur Früherkennung gelten als Individuelle Gesundheitsleistungen, die nicht übernommen werden.
Eine Umsetzung der neuen Leitlinienempfehlungen in die Regelversorgung der Gesetzlichen Krankenversicherung obliegt den Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Leitlinienkoordinator Prof. Dr. Grimm: „Wir hoffen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss auf Basis dieser Empfehlungen die Regelungen zur gesetzlichen Früherkennung prüft und entsprechend anpasst.“
Was ändert sich bei der Therapie von Prostatakrebs?
Neue Empfehlungen gibt die aktualisierte Leitlinie auch bei der Behandlung von Prostatakrebs. Die wichtigste Neuerung betrifft die Therapie von lokal begrenztem Niedrigrisiko-Prostatakrebs. Hier wird zunächst nicht mehr die Operation oder die Bestrahlung, sondern ausschließlich die aktive Überwachung empfohlen. „Therapien des Prostatakarzinoms sind oft mit Nebenwirkungen und Einschränkungen der Lebensqualität verbunden“, so Prof. Grimm in genannter Pressemitteilung anlässlich der Veröffentlichung der 8. Leitlinien-Version. „Mit der aktiven Überwachung vermeiden wir Überbehandlungen und behalten gleichzeitig den Patienten im Blick, um Handeln zu können, sobald es nötig ist.“
Weiterführende Informationen zur neuen Prostatakrebs-Leitlinie
Bereits im März 2025 wurde die sogenannte Konsultationsfassung der Prostatakrebs-Leitlinie zur Diskussion in der Fachwelt veröffentlicht. Unseren Artikel dazu lesen Sie hier auf der Website der Urologischen Stiftung Gesundheit (USG) unter:
https://urologische-stiftung-gesundheit.de/prostatakrebs-tastuntersuchung/
Die Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) und der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. anlässlich der Veröffentlichung der Leitlinie finden Sie unter:
https://www.urologenportal.de/pressebereich/pressemitteilungen/aktuell/s3-leitlinie-zum-prostatakarzinom-aktualisiert-psa-test-als-neuer-standard-in-der-frueherkennung.html
Die „S3-Leitlinie Prostatakarzinom“ (Version 8) ist unter folgendem Link einzusehen:
https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Prostatatkarzinom/Version_8/LL_Prostatakarzinom_Langversion_8.0.pdf
Ergänzend zu dieser ärztlichen Leitlinie wird im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie auch die Patientenleitlinie aktualisiert werden, und natürlich informieren wir Sie hier auf dem Patientenportal der USG, sobald die laienverständliche Fassung der Prostatakrebs-Leitlinie veröffentlicht wird.