Zwei aktuelle Münchner Studien zeigen ein differenziertes Bild der sexuellen Gesundheit bei Prostatakrebs-Patienten: Zum einen nehmen die sexuelle Funktion und Zufriedenheit nach einer vollständigen Prostataentfernung (= radikale Prostatektomie) ab. Zum anderen bleibt die Sexualität in vielen Fällen erhalten, doch verändert sie sich, wie die Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München (TUM) und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) auf dem Jahreskongress 2025 der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) erklärten.

Beide Studien untersuchten in der Mehrzahl Männer die erektionserhaltend, d. h. nervschonend, operiert worden waren.

TUM-Studie: Sexualität findet neue Formen

In der Studie von Göldner und Kollegen wurden 718 Männer, durchschnittlich 70 Jahre alt, fünf Jahre nach ihrer radikalen Prostatektomie zu ihrem Sexualverhalten befragt. Vor dem Eingriff waren 76,2 % der Männer sexuell aktiv, fünf Jahre später mit 39,8 % noch etwas mehr als die Hälfte.

Während der Anteil der Männer mit Geschlechtsverkehr von 73,2 % auf 28,6 % sank, blieb ein beträchtlicher Teil dennoch weiterhin sexuell aktiv – wenn auch mit geänderten Praktiken, wie es heißt.
Fast ein Viertel der Befragten berichtete von veränderten oder neuen Formen sexueller Aktivität. Am häufigsten nannten sie die Selbstbefriedigung (36,5 %), Kuscheln und Streicheln (28,2 %) sowie Oralsex (20 %). Auch der Einsatz von Hilfsmitteln wie Penisringen oder Vakuumpumpen (17,1 %) spielte eine größere Rolle.

Diese Ergebnisse zeigen aus Sicht der Forscherinnen und Forscher, dass Sexualität bei Männern nach Prostatektomie auch ohne Geschlechtsverkehr weiterbestehen kann – als Ausdruck von Nähe, Intimität und körperlicher Zuwendung.

LMU-Studie: Deutlicher Rückgang von Funktion und Zufriedenheit

Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die vollständige Entfernung der Prostata in vielen Fällen zu spürbaren Veränderungen im Sexualleben der betroffenen Männer führt. Die LMU-Studie von Volz und Kollegen untersuchte hierzu insgesamt 117 Männer (Durchschnittsalter 61,9 Jahre), die zwischen April und Oktober 2024 operiert worden waren.

Vor der Operation sowie drei und zwölf Monate danach befragten die Forschenden die Männer mittels standardisierter Fragebögen zu ihrer sexuellen Gesundheit (u. a. zu Zufriedenheit, Libido, Erektionsfähigkeit und Ejakulationsvermögen).

Im Ergebnis zeigte sich, dass ein Jahr nach dem Eingriff die sexuelle Zufriedenheit von durchschnittlich 71,6 auf 47,6 Punkte gesunken war. Auch die Zuversicht, eine Erektion zu erreichen, halbierte sich nahezu (von 59,5 auf 27,9 Punkte). Die Forschenden fanden zudem Verschlechterungen in allen Bereichen der erektilen Funktion, Ejakulation und der sexuellen Erfüllung. Parallel nahmen die Sorgen über eine mögliche Harninkontinenz zu.

Positiv wurde immerhin die verbesserte Kommunikation mit dem medizinischen Fachpersonal bewertet – ein Hinweis darauf, dass Aufklärung, Begleitung und psychosexuelle Beratung entscheidende Faktoren zur Bewältigung dieser operationsbedingten Veränderungen sind.

Zwischen Resignation und Neuorientierung

Die beiden Münchner Studien beleuchten eigentlich zwei Seiten derselben Medaille. Einerseits dokumentiert die LMU-Studie die realen funktionellen Einschränkungen und die häufige Frustration bei Männern mit Prostatakrebs nach deren Operation – insbesondere innerhalb der ersten zwölf Monate. Andererseits zeigt die TUM-Studie, dass viele Männer auch langfristig Wege finden, ihre Sexualität neu zu gestalten und zu (er)leben.

Fazit: Sexualität bleibt ein zentrales Thema der Nachsorge

Die radikale Prostatektomie bleibt für viele Männer ein tiefer Einschnitt in ihr Sexualleben. Doch sie markiert nicht zwangsläufig dessen Ende. Während die LMU-Daten erneut die funktionellen Verluste belegen, machen die TUM-Ergebnisse Mut, indem sie zeigen, dass Sexualität in anderer Form fortbestehen kann.

Eine moderne urologische Nachsorge nach Prostatakrebs berücksichtigt daher Erektionsfähigkeit, Intimität und Kommunikation gleichermaßen – um den Betroffenen zu helfen, neue Wege zu finden, ihre Sexualität zu leben. Denn eine gesunde Sexualität bleibt auch nach einer Entfernung der Prostata ein wesentlicher Bestandteil männlicher Lebensqualität.

Weitere Informationen

Wenn Sie sich noch tiefgründiger mit dem Thema Prostatektomie und deren Folgen beschäftigen möchten, empfehlen wir Ihnen einen Blick auf unsere Linkliste gleich hier auf den Seiten der Urologischen Stiftung Gesundheit:

  1. Radikale Prostatektomie (Videobeitrag)
  2. Prostataentfernung bei Prostatakrebs
  3. Lokal begrenzter Prostatakrebs ohne Metastasen: Patienten haben ab 2025 Anspruch auf eine Zweitmeinung
  4. Sex ohne Prostata – geht das? | Hose runter! Der Uro-Check (Videobeitrag)

Quellen

Göldner VA et al., V38-07: Sexualleben von Männern fünf Jahre nach radikaler Prostatektomie. Die Urologie 2025; 64(Suppl 2): S136
Volz Y et al., V38-08: Veränderungen der Sexualität bei Prostatakrebspatienten nach Prostatektomie: eine prospektive Analyse der sexuellen Gesundheit. Die Urologie 2025; 64(Suppl 2): S136–S137