In Deutschland ist jedes sechste Paar ungewollt kinderlos und bei der Erfüllung seines Kinderwunsches auf die Hilfe der Reproduktionsmedizin angewiesen. Hoffnung auf das ersehnte Wunschkind macht der jüngste Bericht über Zahlen und Entwicklungen in der Kinderwunschmedizin. So konnte das Jahrbuch 2023 des Deutschen IVF-Registers e.V. (D·I·R)®vermelden, dass seit dem Beginn der Erfassung der Behandlungsdaten im Jahr 1997 inzwischen 412.230 Kinder in Deutschland durch In-vitro-Fertilisation (IVF) zur Welt kamen. Diese Zahl entspricht der Bevölkerung von Städten wie Mülheim an der Ruhr und Magdeburg zusammen.

Da die Ursache für eine ungewollte Kinderlosigkeit je zur Hälfte der Fälle beim Mann oder der Frau liegt, ist eine fachübergreifende Betreuung der Paare erforderlich. Dabei werden betroffene Frauen von reproduktionsmedizinisch-endokrinologisch tätigen Fachärzt:innen für Gynäkologie und Geburtshilfe behandelt; Männer werden von Fachärzt:innen für Urologie mit der Zusatz-Weiterbildung Andrologie behandelt.

Kinderwunschbehandlungen weiter stark nachgefragt

Das Jahrbuch enthält die wichtigsten bundesweiten Zahlen der Kinderwunschbehandlungen in den Mitgliedszentren des Deutschen Registers für In-vitro-Fertilisation (IVF), vereinfacht gesagt für die „künstliche Befruchtung“ einer zuvor entnommenen weiblichen Eizelle mit einem männlichen Spermium in einem Reagenzglas. Die aktuelle Ausgabe zeigt, dass Kinderwunschbehandlungen weiter stark nachgefragt werden. Allein 2023 wurden 131.000 Behandlungszyklen registriert, ein Anstieg um drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Stark angestiegen sind dabei Behandlungen mit Spendersamen, die vermehrt auch von Single-Frauen mit Kinderwunsch oder lesbischen Paaren genutzt werden.

Wichtige Trends in der Kinderwunschmedizin: Social Freezing

Das Einfrieren von Eizellen aus nicht-medizinischen Gründen, das sogenannte Social Freezing, erfreut sich laut dem aktuellen Jahrbuch wachsender Beliebtheit. Da die Qualität der Eizellen mit zunehmendem Alter der Frau abnimmt, erhält das vorsorgliche Einfrieren von Eizellen Frauen die Chance, ihren Kinderwunsch zu einem späteren Zeitpunkt zu erfüllen. Häufige Gründe für ein Social Freezing sind ein fehlender Partner, lange Berufsausbildungszeiten oder der Wunsch, erst Karriere zu machen. Mit aktuell 3.700 Behandlungen hat sich die Zahl dieser Behandlungen von 2020 bis 2023 mehr als verdoppelt.
Risikobehaftete Mehrlingsschwangerschaften konnten mithilfe des „Single Embryo Transfers“, bei dem der Patientin nur ein Embryo eingesetzt wird, zuletzt deutlich reduziert werden. Die Mehrlingsrate sank zwischen 2017 und 2022 in Frischzyklen von 22 Prozent auf 12 Prozent und in Auftauzyklen von 15 Prozent auf 8 Prozent.

Das Jahrbuch benennt zudem Erfolge bei der Kryokonservierung: Sogenannte Kryozyklen, bei denen eingefrorene Eizellen oder Embryonen aus einem vorherigen Frischzyklus zu einem späteren Zeitpunkt aufgetaut und transferiert werden, zeigen demnach hohe Erfolgsraten. 2023 lag die Schwangerschaftsrate bei Kryozyklen bei 30,7 Prozent und im Frischzyklus bei 31,0 Prozent. Vorteil dieser Methode: Bei einem Kryozyklus bleibt der Patientin eine erneute hormonelle Stimulation der Eierstöcke und eine weitere Punktion zur Eizellentnahme erspart.

Empfehlung für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch: Nicht zu lange warten!

Da die Erfolgsraten einer Kinderwunschbehandlung mit dem Alter der Frau deutlich sinken, empfehlen Reproduktionsmediziner:innen den betroffenen Paaren eine frühzeitige Beratung. Die aktuellen Auswertungen zeigen: Während Frauen zwischen 30 und 34 Jahren eine Geburtenrate von 31,2 Prozent pro Embryotransfer erreichen, liegt diese bei Frauen im Alter von 41 bis 44 Jahren lediglich bei 8,4 Prozent.

Ursache der Kinderlosigkeit liegt zur Hälfte beim Mann: Auch die Fruchtbarkeit des Mannes abklären!

Bei der Versorgung der betroffenen Paare ist es wichtig, dass von Beginn an sowohl die Frau als auch der Mann untersucht werden, da die Ursache für eine ungewollte Kinderlosigkeit in der Hälfte der Fälle beim Mann liegt. Darauf hat die Deutsche Gesellschaft für Andrologie e.V. (DGA), gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) und dem Berufsverband der Deutschen Urologie e.V. (BvDU), kürzlich öffentlich hingewiesen und in einer Pressemitteilung zur Versorgung von Paaren mit unerfüllten Kinderwunsch Standards für die Diagnostik der männlichen Unfruchtbarkeit definiert. Abgestimmte Diagnostik bei Mann und Frau kann unnötige reproduktionsmedizinische Behandlungen der Frauen vermeiden, heißt es u.a. darin.

Weitere Informationen zur Unfruchtbarkeit des Mannes lesen Sie hier auf der Website der Urologischen Stiftung Gesundheit in unserem Ratgeber zur männlichen Infertilität.

Weitere aktuelle Zahlen und Fakten aus der Reproduktionsmedizin finden Sie im Jahrbuch 2023 des Deutschen IVF-Registers e.V. oder kurz und knapp in einer Pressemitteilung des Deutschen IVF-Registers.