
Was versteht man unter Infertilität?
Laut der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht man von Unfruchtbarkeit (Infertilität), wenn innerhalb einer 1-jährigen Partnerschaft trotz regelmäßigen, ungeschützten Geschlechtsverkehrs und ohne erkennbare organische Störungen der Partnerin keine Schwangerschaft eintritt. Sollte es in dieser Zeit zu keiner Empfängnis kommen und liegen keine weiteren gesundheitlichen Störungen vor (z. B. Hodentumore oder Chemotherapie in der Vorgeschichte), wird nach Ablauf dieses Jahres eine ärztliche Untersuchung beider Partner empfohlen.
Was sind mögliche Ursachen für Infertilität und wie können sie behandelt werden?
Ursachen bei beiden Partnern
Sowohl bei der Partnerin als auch beim Partner können Ursachen für die Infertilität vorliegen. In vielen Fällen finden sich sogar bei beiden Partnern Gründe, die die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können. Erste Ansprechpartnerin für die Partnerin ist in der Regel die Gynäkologin oder der Gynäkologe; bei Bedarf erfolgt eine Überweisung in ein spezialisiertes Kinderwunschzentrum.
Ursachen bei Männern: Überblick
Bei Männern ist eine erfolgreiche Befruchtung von mehreren Faktoren abhängig:
- eine funktionierende Spermienbildung im Hoden,
- ein intakter Spermientransport durch die Samenleiter,
- sowie eine ungestörte sexuelle Funktion mit Erektion und Ejakulation.
Gestörte Spermienproduktion in der Kindheit
Bereits in der frühen Kindheit können Faktoren die Spermienbildung negativ beeinflussen. Ein häufiges Beispiel ist der Hodenhochstand (Kryptorchismus). Bleiben die Hoden während der Entwicklung im Bauchraum oder in der Leiste und wandern nicht in den Hodensack hinab, kann dies zu dauerhaften Schäden an der Spermienreifung führen. Eine frühzeitige Therapie – entweder durch Hormonbehandlung oder operativen Eingriff – ist entscheidend, um irreversible Schäden zu vermeiden. Heutzutage wird bei kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen darauf geachtet.
Varikozele: Krampfadern am Hoden
Bei erwachsenen Männern tritt gelegentlich eine sogenannte Varikozele auf – eine Krampfader, die vom Bauchraum zum Hoden verläuft. In den meisten Fällen ist der linke Hoden betroffen. Sollte eine Varikozele Schmerzen verursachen oder die Spermienqualität negativ beeinflussen, kann eine operative Behandlung oder Verödung durchgeführt werden. Allerdings führt dies nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der Spermienqualität. Der behandelnde Facharzt entscheidet individuell, ob ein solcher Eingriff sinnvoll ist.
Genetische Ursachen
Zu den häufigsten genetischen Ursachen der Unfruchtbarkeit gehört das Klinefelter-Syndrom. Hierbei liegt in den Körperzellen ein zusätzliches X-Chromosom vor (Karyotyp: 47, XXY). Charakteristisch sind sehr kleine Hoden und eine eingeschränkte Samen- und Hormonproduktion, die häufig bereits in oder kurz nach der Pubertät einsetzt.
Die Erfüllung eines Kinderwunsches ist bei diesen Patienten oft nur durch eine operative Hodenbiopsie (TESE) möglich. Dabei wird Hodengewebe unter Narkose entnommen und im Labor auf Spermien untersucht. Werden Spermien gefunden, können diese eingefroren und für eine künstliche Befruchtung (ICSI) in einem Kinderwunschzentrum genutzt werden. Studien zeigen, dass die Erfolgsraten einer TESE höher sind, wenn sie während der Pubertät durchgeführt wird. In spezialisierten Zentren kommen mikrochirurgische Techniken zum Einsatz, um die besten Ergebnisse zu erzielen. Dennoch bleibt die Möglichkeit, dass keine Spermien gefunden werden, weshalb Optionen wie Fremdsamenspende oder Adoption in Betracht gezogen werden müssen.
Obstruktive Azoospermie: Verschluss der Samenleiter
Manchmal liegt eine sogenannte obstruktive Azoospermie vor, bei der einer oder beide Samenleiter blockiert sind. In solchen Fällen können die gebildeten Spermien nicht in die Harnröhre transportiert werden. Ist der Verschluss lokalisiert, kann eine operative Lösung des Problems in Betracht gezogen werden.
Entzündungen der Samenwege
Bakterielle Infektionen der Hoden, Nebenhoden oder der Prostata können die Samenbildung stören oder zu Verklebungen der Samenkanäle führen. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache der Entzündung und erfolgt in der Regel mit Antibiotika.
Wiederherstellung nach Vasektomie
Nach einer Vasektomie (Sterilisation) kann bei erneutem Kinderwunsch versucht werden, die Durchgängigkeit der Samenwege mikrochirurgisch wiederherzustellen. Diese Operation wird in spezialisierten Zentren angeboten, wobei die Kosten vom Patienten selbst getragen werden müssen.
Hormonelle Ursachen
Hormonstörungen wie Veränderungen der männlichen Geschlechtshormone, Schilddrüsenhormone oder der Hirnanhangsdrüsen-Hormone (LH, FSH, Prolaktin) können Unfruchtbarkeit verursachen. Auch die Einnahme von Anabolika im Rahmen von Doping oder Bodybuilding wirkt sich negativ aus. Die Behandlung hormoneller Störungen erfolgt medikamentös und bedarf der Expertise eines Urologen, Andrologen oder Endokrinologen.
Umweltfaktoren
Auch Umweltfaktoren können die Spermienqualität negativ beeinflussen. Zu den häufigsten gehören:
- Medikamente (z. B. Chemotherapeutika),
- chemische Stoffe (z. B. Pflanzengifte),
- radioaktive Strahlen,
- sowie Alkohol- und Nikotinmissbrauch.
Betroffene können die Qualität ihrer Spermien verbessern, indem sie vermeidbare Faktoren wie Rauchen oder übermäßigen Alkoholkonsum reduzieren.
Welche Untersuchungen werden bei Männern durchgeführt?
Ärztliche Ansprechpartner und erste Untersuchungen
Ihr Urologe ist der richtige Ansprechpartner bei ungewollter Kinderlosigkeit. Mithilfe gezielter Untersuchungen wird überprüft, ob Störungen in der Samenproduktion, im Samentransport oder im Hormonhaushalt vorliegen, die die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können. Zunächst erfolgt eine ausführliche Anamnese und eine körperliche Untersuchung. Hierbei werden in der Regel die Hoden per Ultraschall untersucht und der Hormonstatus mittels Blutuntersuchung überprüft.
Ejakulatuntersuchung: Wichtigste diagnostische Maßnahme
Die zentrale Untersuchung ist die Analyse des Ejakulats. Dazu gibt der Patient durch Masturbation eine Probe ab, die anschließend im Labor analysiert wird. Vor der Ejakulatabgabe ist eine Karenzzeit von 2 bis 7 Tagen ohne Samenerguss einzuhalten, um eine aussagekräftige Beurteilung der Ejakulatqualität zu ermöglichen. Das Labor untersucht die Spermien auf Anzahl, Beweglichkeit und Struktur, um die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung der Eizelle abschätzen zu können. Ihr Urologe bespricht mit Ihnen die Ergebnisse und leitet, falls nötig, weitere Untersuchungen oder Behandlungen ein.
Welche Therapiemöglichkeiten bestehen?
Die Therapie bei eingeschränkter Samenqualität ist individuell und richtet sich nach der jeweiligen Ursache. In einem persönlichen Gespräch mit dem Urologen wird ein auf den Patienten abgestimmter Behandlungsplan erstellt.
Was tun, wenn keine Spermien im Ejakulat gefunden werden (Azoospermie)?
Ursachenklärung bei Azoospermie
Wenn bei mehreren Ejakulatuntersuchungen keine Spermien nachweisbar sind, sollte eine gründliche Abklärung durch den Urologen oder Andrologen erfolgen. Mögliche Ursachen können genetische Störungen, bakterielle Infektionen der Samenwege, eine Behinderung des Samentransports oder hormonelle Störungen sein.
Operative Spermiengewinnung (TESE)
Wenn keine Ursache gefunden wird oder eine Behandlung keinen Erfolg bringt, ist eine operative Hodenbiopsie (TESE – testikuläre Spermatozoen-Extraktion) eine Option. Hierbei wird durch einen kleinen Schnitt am Hodensack Hodengewebe aus beiden Hoden entnommen. Dieses Gewebe wird in einem speziellen Labor auf Spermien untersucht. Werden Spermien gefunden, können diese eingefroren und langfristig gelagert werden. Für die Befruchtung einer Eizelle ist dann eine künstliche Befruchtung (ICSI) notwendig, die in einem Kinderwunschzentrum durchgeführt wird.
Die TESE bietet jedoch keine Garantie dafür, dass Spermien gefunden werden. Die Erfolgsaussichten sind individuell unterschiedlich und hängen von der Ursache der Azoospermie ab. Die Verwendung eines Operationsmikroskops (mikrochirurgische Technik) kann die Erfolgschancen erhöhen.
Alternativen bei erfolgloser Spermiengewinnung
Wenn keine Spermien gefunden werden oder die Operation abgelehnt wird, bleibt die Möglichkeit einer Fremdsamenspende (heterologe Insemination) oder einer Adoption, um den Kinderwunsch zu erfüllen.
Fertilitätserhalt bei Krebspatienten
Männer mit einer bevorstehenden Krebstherapie können durch Kryokonservierung (Einfrieren von Spermien) ihre Fruchtbarkeit erhalten.
Psychische Aspekte bei der männlichen Unfruchtbarkeit
Psychischer und körperlicher Stress können die Samenqualität negativ beeinflussen. Ebenso können sexuelle Probleme die Zeugungsfähigkeit einschränken, da alle Phasen des Geschlechtsaktes betroffen sein können. Eine professionelle Beratung – idealerweise gemeinsam mit der Partnerin – ist in solchen Fällen sehr hilfreich.
Möglichkeiten einer künstlichen Befruchtung
Insgesamt bestehen verschiedenen Möglichkeiten, eine Eizellbefruchtung durch ein Spermium zu unterstützen. Die Wahl des geeigneten Verfahrens ist abhängig von den Faktoren beider Partner, welche zur Unfruchtbarkeit führen.
Natürliche Methoden zur Unterstützung der Befruchtung
Eine einfache Methode zur Unterstützung der Befruchtung ist die Planung des Geschlechtsverkehrs zum Zyklusoptimum. Der Zeitpunkt des Eisprungs wird bei der Partnerin ermittelt (z. B. durch Temperaturmessung), um die Wahrscheinlichkeit einer natürlichen Befruchtung zu erhöhen. Voraussetzung ist eine gute Ejakulatqualität beim Mann sowie eine intakte Eizellreifung und ein ungestörter Eizelltransport bei der Frau. Falls nötig, kann der Gynäkologe den Zyklus durch Hormontherapie steuern.
Intrauterine Insemination (IUI)
Eine weitere Möglichkeit ist die intrauterine Insemination (IUI), bei der aufbereitete Spermien zum Zeitpunkt des Eisprungs direkt in die Gebärmutter eingebracht werden. Diese Methode wird vom Gynäkologen durchgeführt und eignet sich besonders bei leichter eingeschränkter Spermienqualität. Sollte auf Seiten der Partnerin ein Verschluss der Eileiter vorliegen, oder die Spermienqualität so eingeschränkt sein, dass die genannten Verfahren nicht erfolgversprechend scheinen, besteht die Möglichkeit der eigentlichen künstlichen Befruchtung mit IVF oder ICSI.
In-vitro-Fertilisation (IVF) und Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)
Bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) werden Spermien mit zuvor entnommenen Eizellen der Partnerin im Reagenzglas zusammengebracht, und die Befruchtung erfolgt eigenständig. Die befruchteten Eizellen werden anschließend in die Gebärmutter eingesetzt.
Reicht die Spermienqualität für eine IVF nicht aus, kommt die Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) zum Einsatz. Hierbei wird ein Spermium direkt in die Eizelle injiziert. Die befruchteten Eizellen werden anschließend in die Gebärmutter eingesetzt. Auch diese Methode wird in einem spezialisierten Kinderwunschzentrum durchgeführt.
Ein Kinderwunschzentrum ist nicht nur für die Durchführung der Behandlung zuständig, sondern auch für die Beratung über Risiken, Kosten und Erfolgsaussichten.
Tipps zur Förderung der Fruchtbarkeit
Ein gesunder Lebensstil kann sich positiv auf die Spermienqualität auswirken:
✔ Nikotin vermeiden
✔ Normalgewicht halten & ausgewogene Ernährung
✔ Regelmäßiger Sport
✔ Hoden vor Hitze schützen (z. B. keine langen Saunabesuche)
Weitere Informationen zur männlichen Unfruchtbarkeit finden Sie in unserem „Patientenratgeber Infertilität“
Häufige Fragen zu Infertilität
- Wann sollte man bei unerfülltem Kinderwunsch einen Arzt aufsuchen?
Wenn nach einem Jahr regelmäßigen ungeschützten Geschlechtsverkehrs keine Schwangerschaft eintritt, sollten beide Partner einen Arzt konsultieren. Liegen zusätzliche Risikofaktoren wie Vorerkrankungen vor, ist eine frühere Abklärung sinnvoll. - Welche Untersuchungen gibt es bei Männern zur Diagnostik von Infertilität?
Zu den wichtigsten Untersuchungen zählen ein Spermiogramm, Hormonanalysen und ggf. bildgebende Verfahren wie Ultraschall. Je nach Verdacht können genetische Untersuchungen oder eine Hodenbiopsie notwendig sein. - Kann man trotz genetischer Ursachen Kinder bekommen?
Bei genetischen Ursachen wie dem Klinefelter-Syndrom ist eine natürliche Zeugung meist nicht möglich. Durch moderne Techniken wie TESE und ICSI gibt es jedoch Chancen, den Kinderwunsch zu erfüllen. - Gibt es bei Azoospermie noch Chancen auf eine Vaterschaft?
Ja, bei einer Azoospermie können Spermien durch eine TESE direkt aus dem Hoden operativ gewonnen werden. Falls keine Spermien gefunden werden, können Fremdsamenspende oder Adoption Alternativen sein. - Welche künstlichen Befruchtungsmethoden gibt es?
Zu den Methoden gehören Intrauterine Insemination (IUI), In-vitro-Fertilisation (IVF) und Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Welche Methode geeignet ist, hängt von der Ursache der Unfruchtbarkeit ab. - Wie lange sollte man versuchen, ein Kind zu zeugen, bevor man einen Arzt aufsucht?
Wenn eine Schwangerschaft nach einem Jahr regelmäßigem ungeschützten Geschlechtsverkehr nicht eintritt, sollten sich beide Partner untersuchen lassen. Bei bekannten Risikofaktoren, wie z. B. Hodenhochstand oder Hormonstörungen, ist eine frühere Abklärung sinnvoll.
- Kann die Spermienqualität durch die Ernährung verbessert werden?
Ja! Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Omega-3-Fettsäuren und Antioxidantien kann sich positiv auf die Spermienqualität auswirken. Besonders wichtig sind Zink, Selen und Folsäure.
- Hat Stress einen Einfluss auf die Fruchtbarkeit?
Ja, chronischer Stress kann den Hormonhaushalt stören und die Spermienproduktion negativ beeinflussen. Entspannungstechniken wie Sport, Meditation oder ausreichend Schlaf können helfen, die Fruchtbarkeit zu unterstützen.