Überaktive Blase: Symptome, Diagnose und Therapie

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Allgemeines zur überaktiven Blase

Für das Krankheitsbild der überaktiven Blase gibt es verschiedene Bezeichnungen. Häufig wird der englische Begriff Overactive Bladder (OAB) verwendet oder – im Deutschen verständlicher – von einer Reizblase gesprochen.

Nach der Definition der Internationalen Kontinenzgesellschaft (ICS) liegt eine überaktive Blase vor, wenn gehäufter Harndrang besteht (mehr als zehnmaliges Wasserlassen innerhalb von 24 Stunden) und dieser mit einem sogenannten imperativen Harndrang einhergeht. Imperativer Harndrang bedeutet, dass nach Einsetzen des Harndranges sofort eine Toilette aufgesucht werden muss, da es sonst zu einer unkontrollierten Blasenentleerung kommen kann.

Laut Definition gibt es für dieses Beschwerdebild keine nachweisbare organische Ursache (idiopathisch). Dennoch können ähnliche Symptome durch andere Erkrankungen ausgelöst werden. Mögliche Ursachen wären zum Beispiel Blasensteine, Harnwegsinfektionen, eine Prostatavergrößerung oder in seltenen Fällen sogar Blasenkrebs. Daher sind umfassende Untersuchungen notwendig, um die überaktive Blase sicher von anderen Erkrankungen abzugrenzen und die Diagnose zu bestätigen.

In manchen Fällen kommt es bei einer überaktiven Blase zu unfreiwilligem Urinverlust (Dranginkontinenz). Allerdings kann das Krankheitsbild auch ohne Harnverlust auftreten und sich lediglich durch häufigen und störenden Harndrang bemerkbar machen.

Etwa 16 % aller Erwachsenen sind von einer überaktiven Blase betroffen. Dabei schwankt der Anteil in der weiblichen Bevölkerung zwischen 8 % und 42 %, während er bei Männern zwischen 10 % und 26 % liegt. Frauen entwickeln diese Symptomatik im Durchschnitt etwa 20 Jahre früher als Männer. Zudem nimmt die Häufigkeit mit steigendem Lebensalter zu.

Unabhängig belegte Risikofaktoren für die Entstehung einer überaktiven Blase sind vor allem höheres Alter und Übergewicht.

Darüber hinaus treten häufig Begleiterkrankungen auf, darunter Depressionen, Verstopfung und Erektionsstörungen.

Diagnostik: Wie wird eine überaktive Blase festgestellt?

Da die überaktive Blase eine Ausschlussdiagnose darstellt, werden vor der Therapieeinleitung verschiedene Untersuchungen durch den Urologen durchgeführt.

Ein ausführliches Anamnesegespräch ist der wichtigste Schritt, um das Beschwerdebild detailliert zu erfassen. Anschließend folgen meist weiterführende Untersuchungen wie eine Urindiagnostik, um beispielsweise eine Harnwegsinfektion auszuschließen, sowie eine Ultraschalluntersuchung der Harnwege (Blase, Nieren, Restharnmessung). Bei männlichen Patienten ist zudem eine Tast- oder Ultraschalluntersuchung der Prostata empfehlenswert.

Ein nützliches Hilfsmittel für die Diagnose ist das sogenannte Miktionstagebuch. Patienten protokollieren hierbei ihre Toilettengänge für mindestens 48 Stunden – tagsüber und nachts – unter Angabe der jeweils ausgeschiedenen Urinmenge.

Dieses Tagebuch hilft, das tatsächliche Ausmaß der Symptomatik objektiv einzuschätzen und ermöglicht es, den Verlauf der Erkrankung sowie Therapieerfolge besser zu bewerten.

Um entzündliche Veränderungen der Blasenschleimhaut oder potenzielle Blasentumoren sicher zu erkennen, wird in manchen Fällen eine Blasenspiegelung (Zystoskopie) durchgeführt.

Optional kann zur genaueren Abklärung eine Urodynamik erfolgen. Diese Untersuchung analysiert die Blasenkapazität, Blasendrücke sowie das Zusammenspiel zwischen Blasen- und Schließmuskel und liefert somit weitere wertvolle Informationen.

Therapieoptionen bei einer überaktiven Blase

Sind andere Ursachen – wie beispielsweise Blasensteine, eine Prostatavergrößerung, Blasentumoren oder neurologische Erkrankungen – ausgeschlossen, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten für die überaktive Blase.

Je nach Ursache der Beschwerden, bereits erfolgten Behandlungen und den individuellen Wünschen des Patienten kommen unterschiedliche Therapieformen infrage:

  • Verhaltenstraining
  • Psychosomatische Behandlung
  • Medikamentöse Therapie (z. B. Tabletten oder Botulinumtoxin A)
  • Elektrostimulationsbehandlung
  • Sakrale Neuromodulation

Verhaltenstraining und psychosomatische Behandlung

Studien zeigen, dass sich eine überaktive Blase durch gezieltes Verhaltenstraining oft deutlich verbessern lässt. Das Hauptziel ist es, die Toilettenintervalle schrittweise zu verlängern und eingefahrene Verhaltensmuster zu durchbrechen.

Damit diese Methode erfolgreich ist, sollte sie unter professioneller Anleitung durchgeführt werden. Der behandelnde Urologe kann entsprechende Experten oder spezialisierte Therapeuten empfehlen.

In manchen Fällen kann eine überaktive Blase auch durch Somatisierungsstörungen verursacht sein. Hierbei ist eine psychosomatische Mitbeurteilung durch einen Facharzt sinnvoll, um die bestmögliche Therapie zu gewährleisten.

Elektrostimulation und Biofeedback-Training

Diese Therapieformen sind für Patienten nicht schmerzhaft und können im häuslichen Umfeld eigenständig angewendet werden. Mithilfe von Elektroden im Damm- und Vaginalbereich lässt sich die Beckenbodenmuskulatur trainieren, wodurch eine verbesserte Kontrolle über die Muskulatur erreicht werden kann.

Die Anwendung des Geräts sollte stets professionell eingewiesen und überwacht werden. Urologen vor Ort können Patienten an spezialisierte Therapeuten vermitteln.

Besonders wirksam ist diese Behandlung in Kombination mit einer physiotherapeutischen Beckenbodengymnastik.

Obwohl die Methode nebenwirkungsarm ist, erfordert sie einen hohen Zeitaufwand. Um einen Therapieerfolg zu erzielen, muss das Training oft täglich über mehrere Monate hinweg durchgeführt werden.

Medikamentöse Therapie bei einer überaktiven Blase

Die häufigste Behandlungsoption ist eine medikamentöse Therapie in Tablettenform. Dabei handelt es sich um sogenannte Anticholinergika, die nach einem ähnlichen Prinzip wirken:

  • Blockierung der Rezeptoren im Blasenmuskel, wodurch dessen Kontraktionsfähigkeit verringert wird.
  • Hemmung der Reizweiterleitung aus der Blase, sodass der Harndrang weniger intensiv wahrgenommen wird.

Durch diese Effekte verringert sich sowohl die Häufigkeit der Toilettengänge als auch das Auftreten von unkontrolliertem Urinverlust durch plötzlichen Harndrang.

Die Wirkung der medikamentösen Therapie setzt meist erst nach einigen Tagen oder Wochen ein. Falls ein Präparat nicht den gewünschten Erfolg bringt, kann der Urologe auf einen anderen Wirkstoff umstellen und dabei mögliche Begleiterkrankungen des Patienten berücksichtigen.

Typische Nebenwirkungen dieser Medikamentengruppe sind Mundtrockenheit und Verstopfung. Insgesamt gelten Anticholinergika jedoch als gut verträglich und ihre Wirksamkeit wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen.

Behandlung mit Botulinumtoxin A

Sollten bisherige Therapieansätze nicht erfolgreich gewesen sein oder aufgrund von Nebenwirkungen nicht infrage kommen, kann die Behandlung mit Botulinumtoxin A erfolgen.

Die Injektion von Botulinumtoxin A erfolgt ambulant oder stationär während einer Blasenspiegelung unter lokaler Betäubung. Mit einer feinen Nadel wird das Nervengift an mehreren Stellen in die Harnblasenmuskulatur injiziert. Der Eingriff dauert in der Regel 10 bis 20 Minuten und ist kaum oder nur leicht schmerzhaft.

Botulinumtoxin A blockiert die Signalübertragung in der Blasenmuskulatur. Dadurch zieht sich der Blasenmuskel weniger stark oder gar nicht mehr zusammen, sodass die Häufigkeit der Blasenentleerungen sinkt.

Der maximale Wirkeintritt erfolgt nach etwa zwei Wochen, wobei die Wirkung zwischen sechs und zwölf Monaten anhält. Danach kann die Injektion bei Bedarf wiederholt werden.

Ein Vorteil dieser Therapie ist das geringere Auftreten von Nebenwirkungen, insbesondere in Bezug auf Mundtrockenheit. Zudem zeigen Studien eine höhere Erfolgsrate bei Patienten mit Dranginkontinenz.

Allerdings besteht ein erhöhtes Risiko für Harnwegsinfekte sowie für Harnverhalt. Bei einer überschießenden Wirkung des Medikaments kann es dazu kommen, dass sich der Blasenmuskel nicht mehr selbstständig zusammenzieht. Patienten sind dann nicht mehr in der Lage, die Blase normal zu entleeren, was als Harnverhalt bezeichnet wird.

Da Botulinumtoxin A zeitlich begrenzt wirkt (6 bis 12 Monate), ist auch die unerwünschte Wirkung reversibel. Falls es während dieser Zeit zu einem Harnverhalt kommt, kann es erforderlich sein, dass sich betroffene Patienten mehrmals täglich selbst katheterisieren.

Sakrale Neuromodulation als Therapieoption

Eine weitere Behandlungsmöglichkeit ist die sakrale Neuromodulation. Dabei wird eine elektrische Sonde im Bereich des Kreuzbein-Nervengeflechts implantiert und mit einem Impulsgeber verbunden.

Zunächst erfolgt eine Testphase von etwa 14 Tagen, in der die Stimulation über einen externen Impulsgeber gesteuert wird. Falls sich die Symptome in dieser Zeit verbessern, kann ein dauerhafter Blasenschrittmacher unter die Haut eingesetzt werden.

Der genaue Wirkmechanismus dieser Therapie ist noch nicht vollständig geklärt. Wichtig ist jedoch, dass eine intakte Nervenverbindung zwischen Harnblase und Gehirn bestehen muss – Patienten mit einer Querschnittslähmung können diese Methode daher nicht nutzen.

Häufige Fragen zur überaktiven Blase

Welche Symptome sind typisch für eine überaktive Blase?

Eine überaktive Blase äußert sich durch häufigen und plötzlich auftretenden Harndrang, der schwer zu kontrollieren ist. In einigen Fällen kommt es zusätzlich zu ungewolltem Urinverlust (Dranginkontinenz).

Kann eine überaktive Blase von selbst verschwinden?

In manchen Fällen können sich die Beschwerden durch gezieltes Verhaltenstraining oder eine Umstellung der Lebensgewohnheiten bessern. Ohne Behandlung bleibt die überaktive Blase jedoch oft bestehen oder verschlimmert sich mit der Zeit.

Welche Rolle spielt die Ernährung bei einer überaktiven Blase?

Bestimmte Lebensmittel und Getränke, wie koffeinhaltige Getränke, Alkohol oder stark gewürzte Speisen, können die Blase zusätzlich reizen. Eine bewusste Ernährung kann daher helfen, die Symptome zu lindern.

Welche medikamentöse Therapie gibt es bei einer überaktiven Blase?

Die häufigste medikamentöse Behandlung erfolgt mit Anticholinergika, die den Blasenmuskel entspannen und den Harndrang reduzieren. Alternativ kann in bestimmten Fällen auch Botulinumtoxin A injiziert werden.

Wie lange dauert es, bis eine Therapie der überaktiven Blase wirkt?

Die Wirkung von Medikamenten setzt meist nach einigen Tagen bis Wochen ein. Bei Botulinumtoxin A dauert es etwa zwei Wochen, bis die volle Wirkung erreicht ist.

Ist eine Behandlung der überaktiven Blase auch ohne Medikamente möglich?

Ja, neben medikamentösen Ansätzen gibt es Verhaltenstherapie, Beckenbodentraining, Elektrostimulation oder die sakrale Neuromodulation als wirksame Alternativen. Welche Methode am besten geeignet ist, hängt von der individuellen Situation des Patienten ab.