Harnsteine

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Das sollten Sie wissen

In den letzten Jahren hat die Häufigkeit der Harnsteinerkrankung in den westlich geprägten Industrienationen deutlich zugenommen. Auch immer mehr Deutsche leiden an Harnsteinen: Die Zahl der Neuerkrankungen hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre verdreifacht. Heute ist fast jeder 20. Bundesbürger einmal oder mehrfach im Leben betroffen. Etwa 1,2 Millionen Patienten müssen jährlich wegen dieser Erkrankung behandelt werden.

Harnsteine können im gesamten Harntrakt vorkommen. So spricht man je nach Lokalisation des Steinleidens von Nierensteinen, Harnleitersteinen oder Blasensteinen. Während Blasensteine meist aufgrund von Blasenentleerungsstörungen entstehen, treten Nieren- und Harnleitersteine durch nicht optimalen Ernährungsgewohnheiten, Veranlagung oder durch Stoffwechselstörungen auf.

Eine Ursache der ansteigenden Häufigkeit der Harnsteinerkrankung in den sogenannten westlichen Industrieländern wird in der zunehmenden Übergewichtigkeit der Bevölkerung gesehen, die gleichzeitig auch zu einer Zunahme der Blutzuckerkrankheit, des Bluthochdrucks und zu Fettstoffwechselstörungen führt (metabolisches Syndrom).

Nierensteine selbst führen zunächst zu keinen typischen Beschwerden, selbst große Steine (Ausgusssteine) werden von den Patienten meist selbst nicht bemerkt. Gelangt dagegen ein Stein oder ein Fragment aus dem Nierenbeckenkelchsystem in den deutlich schmaleren Harnleiter, führt dieser in der Regel zu einer Harnabflussstörung und zu einem Harnstau. Diese ist sehr schmerzhaft und führt zu den typischen Nierenkoliken.

Beim Urologen wird dann nach der Schmerzbehandlung mittels Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen die Größe und Lokalisation des Steins festgestellt. Abhängig hiervon kann dann über die Behandlungsoptionen beraten werden. Diese reichen vom abwarten eines spontanen Steinabganges bis zu operativen Maßnahmen.

Was genau sind Harnsteine?

Harnsteine sind Ablagerungen, die sich in der Niere aus Kristallen bilden. Am häufigsten sind Ablagerungen aus Calziumoxalaten. Sie machen etwa 70% aller Harnsteine aus. Weitere, häufige Bestandteile sind Harnsäure, Kalziumphosphat, Magnesium-Ammonium-Phosphat oder Cystin.

Wie entstehen Harnsteine?

Die Bildung von Harnsteinen kann verschiedene Ursachen haben, z.B.:

  • Falsche Ernährung, Übergewicht
  • Zu geringe Trinkmenge (besonders im Sommer, oder bei anstrengender körperlicher Tätigkeit)
  • Harnwegsentzündungen
  • Stoffwechselstörungen (z.B. Überfunktion der Nebenschilddrüse)
  • Abflussbehinderungen oder anatomische Besonderheiten der ableitenden Harnwege (z.B. eine Verengung des Nierenbeckens)
  • Angeborene Stoffwechselerkrankungen (z.B. Zystinurie)

Wie äußert sich das Harnsteinleiden?

Nierensteine zeigen oft keine oder nur unspezifische Symptome, wie z.B. leichtes Ziehen in der Flanke

Im Falle eines Harnleitersteines kommt es meist zu den typischen Koliken. Hierbei handelt es sich um plötzlich einsetzende, heftigste Schmerzen, die typischer Weise intervallartig einsetzen und wieder nachlassen können.

Je nach Lokalisation des Steines im Harnleiter treten die Schmerzen in der Flanke, in der Leiste, im Unterbauch oder im Bereich des Hodens/der Schamlippen auf.

Häufig tritt gleichzeitig ein deutlicher Harndrang auf
Der Urin kann sich rot färben durch Blutbeimengungen.

Wenn gleichzeitig eine Harnwegsentzündung vorliegt, kann es zu Brennen beim Wasserlassen, ggf. aber auch zu Fieber kommen.

Untersuchung zur Feststellung von Harnsteinen

Zunächst erfragt der Urologe die Krankheitsvorgeschichte (Anamnese). Diese Befragung kann auch die Familienkrankheitsvorgeschichte mit einschließen. Häufig finden sich bei dem Betroffenen selbst oder bei seinen Verwandten früher durchgemachte Harnsteinerkrankungen. Ernährungsgewohnheiten und Lebensumstände können bereits Hinweise auf das Vorliegen eines möglichen Harnsteinleidens geben.
An die Befragung schließt sich die körperliche Untersuchung an. Hier kann ein Druckschmerz in der Flanke Hinweis für einen Harnstau sein. Im Urin lassen sich oftmals rote Blutkörperchen nachweisen. In der Blutuntersuchung werden u.a. Harnsäure-, Kalzium-, Kreatininwerte bestimmt.


Eine wichtige Untersuchungsmethode zur Beurteilung der Steinlokalisation und einer möglicherweise bestehenden Harnabflussstörung stellt die Ultraschalluntersuchung (Sonographie) dar.

Ergänzend sind häufig Rötgenuntersuchungen notwendig. Bei der Ausscheidungsurographie erhält der Patient über die Vene ein Kontrastmittel verabreicht. Unter Röntgenkontrolle kann der Urologe die Ausscheidung über die ableitenden Harnwege genau verfolgen und z. B. die Lage und die Art der Steine bestimmen. Auch das Ausmaß einer vorliegenden Harnstauung wird mit diesem Verfahren sichtbar gemacht.

Eine Alternative zu dieser Untersuchung ist die Computertomographie ohne Kontrastmittel (Nativ-CT). Die Beurteilung des Steinstatus ist hierbei meist genauer als bei der Ausscheidungsurographie, allerdings kann keine Aussage über den Urinabfluss durch diese Untersuchung gemacht werden, da ja kein Kontrastmittel verwendet wird.

Gehen die Harnsteine von selbst ab?

Bis zu 80 % der Harnsteine verlassen den Körper auf natürliche Weise über die ableitenden Harnwege. Die Austreibung kann durch krampf- und schmerzlösende Medikamente beschleunigt werden. Kommt es trotz dieser Maßnahmen nicht zu einem Spontanabgang, wird der Urologe eine weiterführende Behandlung einleiten, um mögliche Komplikationen zu verhindern.

Notfall: Schwere Kolik

Eine akute Kolik erfordert immer eine sofortige ärztliche Behandlung. Der Urologe wird unmittelbar Schmerzmittel zur Linderung der Kolikbeschwerden verabreichen. Ist eine Schmerzfreiheit erreicht, werden die weiterführende Untersuchungen eingeleitet. Je nach Befund wird dann individuell über die weitere Steintherapie beraten.

Behandlungsmöglichkeiten

Es gibt vielfältige Behandlungsmöglichkeiten beim Harnsteinleiden. Immer jedoch sind die Zusammensetzung der Steine, ihre Größe und Beschaffenheit sowie ihre Lage ausschlaggebend für die nachfolgende bestmögliche Behandlung. Der Urologe wird die Untersuchungsergebnisse und die entsprechenden Vorgehensweisen mit dem Patienten besprechen.

Folgende Behandlungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung:

  • Durch medikamentöse Unterstützung und ausreichende Flüssigkeitszufuhr können Harnsteine häufig spontan ausgeschieden werden. Körperliche Bewegung scheint dies zu unterstützen.
  • Chemolitholyse: Auflösen der Harnsteine durch Medikamente. Die erfolgreiche Litholyse kann meist nur bei Harnsäuresteinen durchgeführt werden.
  • ESWL (Extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie): Die Harnsteine werden von außen durch fokussierte Energiewellen zertrümmert. Vorteile hierbei sind, dass der Eingriff ambulant erfolgen kann und in der Regel keine Narkose notwendig ist. Sowohl Steine im Harnleiter, als auch in der Niere können behandelt werden. Wenn ein Nierenstein allerdings größer ist können die entstehenden Steintrümmer den Harnleiter verstopfen und zu Koliken führen. Dies kann dann wiederum weitere Therapien (Harnleiterschiene, URS) nach sich ziehen. Selten kommt es zu größeren Blutergüssen im Bereich der Nieren als Folge des Eingriffes.
  • Anlage einer Harnleiterschiene: Sollte ein Harnleiterstein den Harnleiter verlegen und der Urinabfluss nicht mehr möglich sein kann die Anlage einer sog. Harnleiterschiene notwendig sein. Dies erfolgt um die Nierenfunktion der betroffenen Seite zu schonen. Es handelt sich um einen dünnen Kunststoffschlauch, welcher im Rahmen einer Blasenspiegelung (siehe dort) über die Harnleiteröffnung in die Nieren vorgeschoben wird und damit die durch den Stein hervorgerufenen Engstelle überbrückt.


PNL (Perkutane Nephrolitholapaxie)

Als operative Therapiemaßnahmen stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

  • PNL (Perkutane Nephrolitholapaxie): Von der Körperaußenseite wird mit Hilfe einer Punktionsnadel ein dünner Kanal bis zur Niere angelegt. Anschließend wird ein optisches Instrument eingeführt. Der Urologe kann sodann die Harnsteine in der Niere zerkleinern und entfernen. Dieser Eingriff wird oft bei größeren Nierensteinen durchgeführt, da durch die Operation eine schnelle und auch vollständige Sanierung größerer Nierensteine möglich ist. Nachteilig ist ein im Vergleich zu den anderen Therapieverfahren erhöhte Blutungsneigung und das Risiko einer Verletzung von Nachbarorganen. Harnleitersteine können mit dieser Methode nicht behandelt werden.
  • Ureterorenoskopie (URS): Das Endoskop wird durch die Harnröhre in den Harnleiter eingeführt und kann bis in das Nierenbecken vorgeschoben werden. Bei diesem Eingriff können Steine aus dem Harnleiter oder dem Nierenbecken entfernt werden. Größere Steine können z. B. mit einem Laser zuvor zerkleinert werden. Die Vorteile dieses Verfahrens liegen in einer raschen und vollständigen Sanierung von Harnleitersteinen. Auch kleinere Nierensteine lassen sich in der Regel gut entfernen. Bei sehr großen Nierenstein ist die PNL eher das bevorzugte Verfahren. Hauptrisiken des Eingriffes sind ein möglicher Abriss des Harnleiters durch das OP-Instrument oder narbige Verengungen der ableitenden Harnwege (Harnleiter oder Harnröhre)


Offene Operation

  • Offene Operation: Sehr seltener Eingriff. Zumeist bei anatomischen Besonderheiten und sehr großen Nierensteinen angewendet. Heute sind offene Nierensteinoperationen durch die minimal-invasiven Verfahren fast vollständig verdrängt wurde.

 

Lokalisation, chemische Zusammensetzung und Ausmaß des Steinleidens sind immer individuell. Dementsprechend erfolgt das Festlegen der Therapie zwischen Patient und Urologen nach ausführlicher Beratung ebenso individuell.

Gibt es eine wirksame Vorbeugung?

Bei rund 50 % der Harnstein-Patienten kommt es ohne geeignete Nachsorge zu mindestens einem, bei bis zu 25% der Patienten sogar zu 3 oder mehr Steinrezidiven (erneute Harnsteinbildung). Durch Trink- und Ernährungsmodifikation kann das Risiko einer erneuten Steinbildung signifikant gesenkt werden. Die Trinkmenge sollte dabei ausreichen dem Körper eine Urinproduktion von >2l zu ermöglichen.


Bei allen Steinzusammensetzungen werden zur Prävention eine ausgewogene Ernährung, Abbau von Übergewicht, körperliche Bewegung und regelmäßiges, ausreichendes Trinken empfohlen.

Eine diagnostische Maßnahme nach der Steinentfernung ist eine qualitativ Harnsteinanalyse. Nach Kenntnis der chemischen Zusammensetzung des Harnsteins kann eine Beratung hinsichtlich der Prävention erfolgen. 


Die häufigsten Steinzusammensetzungen sind:

Kalziumoxalat-Steine
70-75 % aller Harnsteine bestehen aus Kalziumoxalat. Die Entstehung von Kalziumoxalat-Steinen ist von einer großen Zahl von Faktoren abhängig, deshalb spricht man von einer multifaktoriellen Pathogenese.
Eine allgemeine Empfehlung ist die Reduktion der Oxalataufnahme über die Nahrung. Hierbei handelt es sich im wesentlichen um Lebensmittel wie Rhababer, schwarzer Tee, Spinat, Kakao und Nüsse. 

Harnsäure-Steine

Harnsäuresteine werden in Deutschland immer häufiger. Die aktuellen Daten zeigen bis zu 10 % Harnsäure-Steine. Harnsäure ist ein Endprodukt des Purinstoffwechsels und wird größtenteils über die Nieren ausgeschieden. Purin- und proteinreiche Ernährung fördert die Harnsäurebildung und trägt zur Säuerung des Harns bei. Die Mehrzahl der Harnsäuresteinerkrankungen ist daher ernährungsbedingt. 
Die Prävention baut daher auf eine Ernährungsumstellung (Reduktion von rotem Fleisch) und Abbau von Übergewicht. Da sich Harnsäuresteine besonders gut in saurem Urin bilden, kann durch eine Alkalisierung des Urins (Anhebung des pH-Wertes) das Rezidivrisiko gesenkt werden.

Infekt-Steine
Infektsteine (Magnesium-Ammoniumphosphat, Calciumphosphat) bildeten früher eine häufige Steinzusammensetzung, vor allem bei großen, sogenannten Ausgusssteinen. Durch Frühdiagnostik von Harnwegsinfekten und Antibiotikatherapie werden diese Steine heute immer seltener. Bevorzugt treten sie bei Frauen auf, die Prävention basiert auf einer kompletten Steinentfernung und anschließender Infektprophylaxe. 

Zystin-Steine
Zystinsteine werden durch eine angeborenen Erkrankung, die sog. Zystinurie, hervorgerufen. Patienten leiden unter eine starken Steinbildung. Unbehandelt kann diese Erkrankung zu einem Nierenversagen und damit zu einer Dialysepflichtigkeit führen. Sehr wichtig ist daher eine engmaschige urologische Betreuung. Hierbei werden zur Therapiekontrolle regelmäßige Untersuchungen eines 24h Sammelurin durchgeführt.

Patienten wird empfohlen eine hohe Trinkmenge von 4-7 Liter Tag und Nacht einzuhalten. Der Konsum von tierischen Eiweißen sollte eingeschränkt werden. Zusätzlich ist oft eine ergänzende Medikamenteneinnahme notwendig.