In den letzten Jahren hat die Forschung an neuen Methoden zur Empfängnisverhütung durch den Mann zunehmend Aufmerksamkeit erhalten. Während das Kondom und die Vasektomie seit Jahrzehnten die gängigen Verhütungsmethoden für Männer darstellen, wächst der Wunsch nach weiteren Optionen. In diesem Artikel beleuchten wir verschiedene innovative Ansätze, deren Entwicklungsstand sowie ihre potenziellen Vor- und Nachteile.
- Hormonelle Verhütung für den Mann: NES/T-Gel
Eine der fortschrittlichsten Entwicklungen auf dem Gebiet der hormonellen Verhütung für Männer ist das NES/T-Gel. Dieses Gel enthält eine Kombination aus Testosteron und Nestoron, einem synthetischen Hormon (Gestagen). Das Gel wird einmal täglich auf die Haut der Schulter aufgetragen und reduziert die Spermienproduktion so stark, dass eine Schwangerschaft fast ausgeschlossen werden kann. Erste Studien zeigen, dass es etwa acht Wochen dauert, bis der Verhütungsschutz voll wirksam ist
Ein Vorteil des NES/T-Gels ist, dass es keine ernsthaften Nebenwirkungen wie ein erhöhtes Thromboserisiko verursacht, wie es bei weiblichen hormonellen Verhütungsmitteln der Fall ist. Allerdings sind auch hier Nebenwirkungen wie Stimmungsschwankungen und Veränderungen der Libido möglich.
Derzeit wird noch daran gearbeitet, das Gel für den breiten Markt verfügbar zu machen, wozu natürlich auch der Nachweis der sicheren Verhütung gehört.
Weitere Versuche betrafen den Wirkstoff Dimethandrolon Undecanoat (DMAU), der als Tablette eingenommen werden musste, die Injektion von Testosteron und Gestagen und ein Teeaufguss der Pflanze Gendarussa, der in Indonesien getestet wurde.
- Hormonfreie Methoden: Vasalgel und das Samenleiterventil
Neben hormonellen Optionen gibt es auch vielversprechende hormonfreie Ansätze. Vasalgel ist ein Polymer-Gel, das in die Samenleiter injiziert wird und diese blockiert, sodass Spermien nicht mehr in die Samenflüssigkeit gelangen können. Der Eingriff ist minimalinvasiv und rückgängig zu machen. Studien an Tieren verliefen erfolgreich, jedoch steht die Zulassung für den menschlichen Gebrauch noch aus.
Ein weiterer spannender Ansatz ist das Samenleiterventil. Dieses mechanische Ventil, das in die Samenleiter eingesetzt wird, kann per Schalter geöffnet oder geschlossen werden, sodass der Mann selbst entscheidet, wann Spermien in die Samenflüssigkeit gelangen. Obwohl es technisch funktioniert, wurde das Ventil bisher nur bei wenigen Personen eingesetzt, und klinische Studien fehlen.
- Thermische Verhütung: Erwärmung der Hoden
Ein weniger bekanntes Konzept ist die thermische Verhütung. Hierbei werden die Hoden durch spezielle Geräte, wie zum Beispiel enge Unterwäsche oder Wärmepads, leicht erwärmt, um die Spermienproduktion zu hemmen. Auch sind schon Silikonringe versucht worden, die über den Penis gestreift wurden und die Hoden in die Leistenkanäle verdrängen, wo sie überwärmt wurden. Diese Methoden haben den Vorteil, dass sie vollkommen hormonfrei und nicht-invasiv ist. Erste Tests zeigen, dass die Spermienproduktion durch regelmäßige Anwendung stark reduziert wird, jedoch wird diese Methode in der Praxis kaum genutzt, da sie noch unzureichend erforscht. Außerdem ist bislang völlig unklar, ob die Erwärmung der Hoden auf diese Weise zu einer dauerhaften Schädigung der Spermienproduktion führen kann.
- Molekulare Forschung: Der SLO3-Kanal
In der Grundlagenforschung wird derzeit ein Molekül namens VU0546110 untersucht, das gezielt den SLO3-Ionenkanal für Kalium-Ionen in den Spermien hemmt und damit die Befruchtung verhindert. Diese Methode zeigt in Laborstudien vielversprechende Ergebnisse, doch bevor sie für den Menschen zugelassen werden kann, sind noch umfangreiche klinische Studien notwendig. Hier besteht die Hoffnung, eine hormonfreie, sichere Verhütungsmethode für den Mann zu entwickeln. Darüber sind weitere Ionenkanäle und Spermienproteine im Fokus der Forschung, mit dem Ziel, die Spermienfunktion einzuschränken und darüber die Befruchtung zu verhindern.
- Herausforderungen bei der Einführung neuer Verhütungsmethoden für Männer
Trotz der zahlreichen innovativen Ansätze gibt es verschiedene Hindernisse, die die Markteinführung neuer Verhütungsmethoden für Männer verzögern. Ein zentrales Problem sind die Nebenwirkungen hormoneller Mittel, die zwar denen der Antibabypille für Frauen ähneln, aber aufgrund der deutlich höheren heutigen Anforderungen an die Patientensicherheit als nicht akzeptabel angesehen werden. Dies führte in der Vergangenheit bereits dazu, dass einige Studien abgebrochen wurden. Allerdings zeigte sich in diesen Studien sowohl bei den Männern als auch den Paaren insgesamt eine hohe Akzeptanz, denn rund 80% hätten die Studien gerne fortgeführt
Ein weiteres Hindernis ist die Skepsis gegenüber der Zuverlässigkeit neuer Methoden. Die Sicherheit aller Methoden für den Empfängnisschutz wird mit dem Pearl Index angegeben. Während die Vasektomie mit einem Pearl-Index von 0,1 eine äußerst sichere Methode darstellt, weisen andere Ansätze wie das Kondom auch wegen Anwendungsfehlern einen deutlich höheren Pearl-Index (zwischen 2 und 12) auf.
Neue Methoden müssen sich in klinischen Studien als ebenso sicher und zuverlässig erweisen, bevor sie breite Akzeptanz finden können.
- Fazit und Zukunftsaussichten
Die Forschung zu neuen Methoden zur Empfängnisverhütung durch den Mann ist vielversprechend, doch bis zur Marktreife wird es noch einige Zeit dauern. Hormonelle Methoden wie das NES/T-Gel stehen kurz vor der Einführung, während innovative Ansätze wie Vasalgel , die thermischen Verfahren oder das Samenleiterventil noch weitere klinische Studien benötigen oder in der Entwicklungsphase sind, um z. B. die Spermienfunktion zu attackieren. Langfristig wird erwartet, dass Männer mehr Optionen zur Verfügung haben, um gemeinsam mit ihren Partnerinnen die Verantwortung für die Verhütung zu tragen.
Positiv stimmt die Initiative des BMBF, das in Zusammenarbeit mit der DGA ein Symposium NIKFAM im September 2024 durchgeführt hat mit dem Ziel, den Stand der Forschung und neue Forschungsperspektiven zur Verhütungsforschung mit namhaften Wissenschaftler*innen aus Klinik, Praxis und Grundlagenforschung und Vertreter*innen aus Politik, Journalismus und Gesundheitsbehörden zu diskutieren. Ziel ist es, zum Ende des Jahres 2024 eine Forschungsförderungsinitiative zur Verhütungsforschung zu initiieren. Mehr zu diesem Thema finden Sie unter http://idw-online.de/de/news840022