Als Urologische Stiftung Gesundheit beobachten wir die Entwicklung sexuell übertragbarer Infektionen sehr genau, weil sie Patientinnen und Patienten in allen Lebensphasen betreffen. In Deutschland und Europa zeigen die jüngsten Daten einen deutlichen Anstieg vor allem bei Gonorrhoe und Syphilis, während Chlamydien weiterhin die am häufigsten gemeldete bakterielle STI bleiben. Hinter diesen Zahlen stehen verändertes Sexualverhalten, Lücken in der Prävention, unterschiedliche Teststrategien sowie die Zunahme antibiotikaresistenter Erreger. Wer Risiken versteht, kann klügere Entscheidungen zu Schutz, Testung und Behandlung treffen. In diesem Beitrag ordnen wir die aktuelle Lage ein und geben evidenzbasierte Hinweise für die Praxis, damit Prävention und Versorgung zielgerichtet verbessert werden können (RKI, 2025).

 

Der Trend in Deutschland und Europa

Für Deutschland verweisen wir auf die kontinuierlichen Lageberichte und Fachinformationen des Robert Koch-Instituts. Die dort gebündelten Inhalte zeigen, dass sexuell übertragbare Infektionen in der öffentlichen Gesundheit wieder stärker ins Gewicht fallen und eine verlässliche Surveillance mit Präventionsarbeit verknüpft werden muss. Für Europa hat das ECDC die Meldezahlen 2023 ausgewertet. Besonders auffällig ist der Anstieg bei Gonorrhoe („Tripper“), während Syphilis ebenfalls zunimmt und Chlamydien weiterhin die höchsten Fallzahlen aufweisen. Diese Muster betreffen verschiedene Altersgruppen und sowohl Männer, die Sex mit Männern haben, als auch heterosexuelle Frauen und Männer. Die Botschaft ist klar: STI-Prävention und -Diagnostik müssen wieder konsequenter umgesetzt werden, damit Komplikationen wie Unfruchtbarkeit, chronische Schmerzen oder perinatale Schäden verhindert werden (ECDC, 2025).

 

Syphilis: wieder im Aufwind und mit Risiken für Schwangerschaften

Syphilis verzeichnet in Europa seit Jahren steigende Meldungen. Das ECDC berichtet für 2023 mehr als 41.000 bestätigte Fälle in 29 EU/EEA-Ländern, was einem Plus von 13 Prozent gegenüber 2022 entspricht und in Summe eine Verdopplung seit 2014 bedeutet. Auffällig ist die Zunahme bei Frauen in allen Altersgruppen, was die Gefahr angeborener Syphilis im Blick behalten lässt. International weist die WHO zugleich auf eine Zunahme erwachsener und mütterlicher Syphilis hin und warnt vor den Folgen für Neugeborene, wenn Infektionen unentdeckt bleiben. Für Deutschland zeigte das RKI bereits in früheren Auswertungen einen neuen Höchststand der Syphilisfälle, was den Handlungsdruck unterstreicht. Wir empfehlen deshalb eine konsequente Teststrategie in Risikokonstellationen sowie eine frühzeitige Behandlung nach Diagnosestellung, um Übertragungen zu unterbrechen und Folgeschäden zu vermeiden (ECDC, 2025); (WHO, 2024); (RKI, 2024).

 

Gonorrhoe: starke Zunahmen und wachsende Resistenzprobleme

Bei der Gonorrhoe sind die jüngsten europäischen Zahlen besonders deutlich. Für 2023 meldet das ECDC 96.969 bestätigte Fälle in 28 EU/EEA-Ländern. Das entspricht einer Steigerung um 31 Prozent gegenüber 2022 und einem Zuwachs von über 300 Prozent seit 2014. Die höchsten Raten bei Frauen lagen in der Gruppe der 20- bis 24-Jährigen, die den steilsten Anstieg zeigte. Neben der höheren Fallzahl bereitet jedoch vor allem die Resistenzentwicklung Sorge. Das ECDC und europäische Fachnetzwerke berichten über steigende Resistenzen, was die Wirksamkeit etablierter Therapien bedrohen kann. Eine aktuelle Auswertung zu 2022 zeigt resistenzbestimmende Muster in vielen EU/EEA-Ländern. Für die Versorgung bedeutet das, dass leitliniengerechte Diagnostik einschließlich Kultur und Resistenztestung wichtiger wird, insbesondere bei Therapieversagen, Reinfektionen oder bei Infektionen an extragenitalen Lokalisationen. Prävention durch Kondome, Testangebote nach Partnerwechsel sowie frühzeitige Behandlung und Partnerbehandlung bleiben zentrale Säulen, um die Dynamik zu bremsen und Resistenzen einzudämmen (ECDC, 2025); (ECDC, 2024); (Jacobsson et al., 2025).

 

Chlamydien: häufig, oft asymptomatisch und mit Langzeitfolgen

Chlamydia trachomatis ist in Europa weiterhin die am häufigsten gemeldete bakterielle STI. Nach Rekordmeldungen 2022 hat sich der Anstieg 2023 verlangsamt, die Zahlen bleiben jedoch hoch. Besonders betroffen sind junge Frauen zwischen 20 und 24 Jahren, bei denen Infektionen häufig asymptomatisch verlaufen und daher erst spät erkannt werden. Das Risiko für entzündliche Beckenerkrankungen, ektopische Schwangerschaften und Fertilitätsstörungen macht ein breites Bewusstsein in der Versorgung notwendig. Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, niedrigschwellige Testangebote zu nutzen, extragenitale Probenentnahmen zu erwägen, wenn das Sexualverhalten dies nahelegt, und Partnerbehandlungen konsequent zu organisieren. Für die Kommunikation mit jungen Zielgruppen empfehlen wir klare Botschaften zu Safer Sex, zu Testintervallen bei wechselnden Partnern und zum Nutzen frühzeitiger Therapie, um Spätfolgen zu vermeiden und Übertragungen zu reduzieren (ECDC, 2025); (RKI, 2025).

 

Was jetzt Priorität haben sollte

  • Informierte Entscheidungen: Risiken verständlich vermitteln und Angebote wie Kondome, HPV- und Hepatitis-B-Impfung, HIV-PrEP sowie regelmäßige Testungen nach Partnerwechsel klar adressieren.
  • Leitliniengerechte Diagnostik und Behandlung: Sensitiver Einsatz von Nukleinsäuretests, Partnerbenachrichtigung sicherstellen und bei Gonorrhoe ggf. Kultur plus Resistenztestung einplanen.
  • Surveillance stärken: Verlässliche Daten zu Fallzahlen, Testumfängen und Resistenzen sind die Basis, um Versorgungslücken zu erkennen und gezielt zu schließen.

Wir setzen uns dafür ein, dass Präventionsarbeit, niedrigschwellige Versorgung und Forschungsprojekte zur Resistenzlage systematisch gestärkt werden. So können wir erreichen, dass Geschlechtskrankheiten weniger häufig unentdeckt bleiben, Therapien wirksam bleiben und vulnerable Gruppen gezielt erreicht werden. Der Trend zeigt nach oben, doch mit konsequenten Maßnahmen lässt sich die Entwicklung bremsen und mittelfristig drehen, wenn Prävention, Testung und Behandlung zusammengedacht werden und die ambulante wie stationäre Versorgung eng kooperieren.

 

Quellensammlung

  • ECDC (2025). Gonorrhoea — Annual epidemiological report for 2023. Link
  • ECDC (2025). STI cases continue to rise across Europe. Link
  • ECDC (2024). Antimicrobial resistance in gonorrhoea: Rising threat to treatment efficacy. Link
  • Jacobsson, S., et al. (2025). Antimicrobial resistance in Neisseria gonorrhoeae and its public health impact in the EU/EEA, 2022 Euro-GASP analysis. The Lancet Regional Health – Europe. Link
  • RKI (2025). Sexuell und durch Blut übertragene Krankheiten (STI). Link
  • RKI (2024). Syphilis in Deutschland 2022 (Epidemiologisches Bulletin 7/2024). Link
  • WHO (2024). New report flags major increase in sexually transmitted infections. Link
  • ECDC (2025). Chlamydia — Annual epidemiological report for 2023. Link