Operation, Chemotherapie und Bestrahlung: Lange fußte die Behandlung von Krebserkrankungen allein auf diesen drei bekannten Säulen. In den letzten Jahren hat sich die Krebstherapie allerdings grundlegend gewandelt – weg von einem einheitlichen Behandlungsschema hin zu einer individualisierten, zielgerichteten Medizin. Das gilt auch für die zweithäufigste urologische Tumorerkrankung, den Harnblasenkrebs. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, moderne Medikamente und innovative Verfahren ermöglichen heute eine zunehmend zielgerichtete, auf den Einzelnen abgestimmte Behandlung – mit besseren Aussichten auf Heilung und Lebensqualität. Demensprechend bringt die jüngste Überarbeitung der Leitlinie zum Harnblasenkrebs umfassende Neuerungen für alle Phasen der Erkrankung – von der Diagnostik bis zur Nachsorge. Leitlinien basieren auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und geben Ärzt:innen und Patient:innen Handlungsempfehlungen für die angemessene Behandlung einer Erkrankung.
Harnblasenkrebs in Deutschland: Zahlen und Risikofaktoren
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts erkrankten 2020 etwa 17.100 Menschen an einem invasiven Harnblasenkrebs, bei dem der Tumor in die Muskelschicht der Blasenwand, oder auch in umliegendes Gewebe, eingewachsen ist. Hinzu kamen mehr als 13.000 Fälle von nicht-invasiven Tumoren, die nur oberflächlich an der inneren Blasenwand wachsen. Die häufigste Krebsform ist das sogenannte Urothelkarzinom, das in der Blase und den ableitenden Harnwegen auftritt. Wichtigster vermeidbarer Risikofaktor ist das aktive und passive Rauchen.
Aktualisierte S3-Leitlinie zum Harnblasenkrebs:
Neuerungen bei Diagnose, Therapie, Reha und Nachsorge
Die „S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Harnblasenkarzinoms“ wurde nun unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. und der Interdisziplinären Arbeitsgruppe BlasenCarcinom (IABC) der Deutschen Krebsgesellschaft sowie unter Beteiligung von 31 weiteren Fachgesellschaften und Organisationen umfassend aktualisiert. Die Deutsche Krebshilfe finanzierte die Leitlinie im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie.
Perioperative Systemtherapien im Fokus der neuen Empfehlungen
Ein zentrales Thema der aktualisierten Leitlinie sind sogenannte perioperative Systemtherapien – also der Einsatz von Medikamenten oder Immuntherapien vor oder nach der Operation, die bei geeigneten Patient:innen mit lokalisiertem, muskelinvasivem Blasenkrebs das Überleben deutlich verbessern können. Die Immuntherapie mit sogenannten Immuncheckpointinhibitoren zählt zu den wichtigsten Fortschritten in der Behandlung von Krebserkrankungen, da sie das körpereigene Immunsystem wieder in die Lage versetzt, Krebszellen zu bekämpfen. Der Einsatz für eine perioperative Systemtherapie hängt vom individuellen Gesundheitszustand, Vorbehandlungen und dem Verlauf der Tumorerkrankung ab. Die Entscheidung soll unter Einbeziehung aller beteiligten medizinischen Disziplinen vor Therapiebeginn im Rahmen interdisziplinärer Tumorkonferenzen getroffen werden, so die neue Leitlinie.
Mehr Lebensqualität durch gezielte Rehabilitation
Auch die Rehabilitationsmaßnahmen wurden überarbeitet: Laut aktualisierter Leitlinie sollen sie in qualitätsgesicherten uro-onkologischen Fachkliniken stattfinden und auf die individuellen Bedürfnisse der Patient:innen abgestimmt sein. Die Empfehlungen zur Behandlung funktioneller Störungen nach einer Blasenentfernung berücksichtigen auch geschlechtsspezifische Aspekte und beinhalten z. B. bei Männern Therapieempfehlungen bei erektiler Dysfunktion und Beratungen zu Sexualstörungen bei Frauen. Da Blasenkrebs die Lebensqualität stark beeinträchtigen kann, wird zudem ein frühzeitiges und regelmäßiges psychoonkologisches Screening empfohlen, um die psychische Belastung frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Neue Nachsorge-Empfehlungen
Da es bei Blasenkrebs trotz zunächst erfolgreicher Behandlung häufig zu einem Rückfall, einem sogenannten Rezidiv, kommen kann, ist auch die Nachsorge dieser Erkrankung von großer Bedeutung. In der Leitlinie wurden deshalb auch die Nachsorge-Empfehlungen auf der Basis der aktuellen Behandlungsstandards überarbeitet.
Fazit: Die Behandlung von Harnblasenkrebs ist heute präziser, effektiver und individueller als je zuvor. Fortschritte in der Systemtherapie, neue minimalinvasive und auch robotergestützte Operationsverfahren sowie eine ganzheitliche Patientenversorgung ermöglichen bessere Heilungschancen und mehr Lebensqualität.
Weitere informative Beiträge zum Thema Harnblasenkrebs finden Sie hier auf den Seiten der Urologischen Stiftung Gesundheit zum Beispiel in unserem Ratgeber Harnblasenkrebs sowie in der Rubrik „Urologie Kompakt“.
Die aktualisierte S3-Leitlinie ist unter folgendem Link abrufbar: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/harnblasenkarzinom