Was ist ein Beckenorganprolaps?
Ein Beckenorganprolaps (POP) liegt vor, wenn Organe wie Gebärmutter, Blase oder Enddarm in Richtung Scheide absinken. Dafür verantwortlich sind oft geschwächte Bänder und Faszien im Beckenboden, die ihre Haltefunktion nicht mehr ausreichend erfüllen. Zunächst kommt es meist nur zu einem leichten Druck- oder Fremdkörpergefühl in der Scheide. Im weiteren Verlauf können jedoch Beschwerden wie unkontrollierter Urinverlust, wiederkehrende Blasenentzündungen und sogar Stuhlbeschwerden und Schmerzen hinzukommen (Liedl & Wenk, 2024)
Wie viele Frauen sind betroffen?
In Deutschland lebten Ende 2023 insgesamt etwa 42,9 Millionen Frauen (Statista, 2024). Davon befanden sich rund 9 Millionen im Alter zwischen 40 und 55 Jahren, also in einer Lebensphase, in der Beckenbodenprobleme häufig erstmals auftreten. Weitere 12,5 Millionen Frauen waren im Alter von 56 bis 79 Jahren, und etwa 3,7 Millionen hatten bereits das 80. Lebensjahr überschritten. Rechnet man diese Altersgruppen zusammen, ergibt sich eine Summe von rund 25,5 Millionen potenziell betroffenen Frauen – das entspricht ungefähr 71,6 Prozent der weiblichen Bevölkerung. Gleichzeitig zeigen Erhebungen, dass in Pflegeheimen bis zu 70 Prozent der Frauen an Harninkontinenz leiden, während Blasenentleerungsstörungen bis zu 59 Prozent und Stuhlinkontinenz in der Altersgruppe ab 40 Jahren etwa 24 Prozent betreffen (Statista, 2024). Somit handelt es sich um eine Volkskrankheit, die großes Leid und auch hohe Kosten verursacht.
Häufig unterschätzte Symptome
Zahlreiche Forschungsarbeiten (u. a. Goeschen et al., 2022; Himmler et al., 2022) belegen, dass ein Beckenorganprolaps viel mehr als ein bloßes „Absinken“ bedeutet. Typische Begleiterscheinungen sind:
- Harninkontinenz (Belastungs- und Dranginkontinenz)
- Blasenentleerungsstörungen (häufige oder erschwerte Miktion)
- Stuhlentleerungsstörungen und Stuhlinkontinenz
- Schmerzen im Unterbauch, Beckenbereich oder unteren Rücken
Diese Beschwerden können gleichzeitig auftreten und schränken die Lebensqualität stark ein. Viele Frauen nehmen die Symptome allerdings zunächst als „normal“ hin, erkennen nicht, dass sie vom Prolaps verursacht werden, oder sprechen aus Scham nicht darüber.
Was bringt eine adäquate Prolapskorrektur?
Das Wichtigste vorweg: Eine korrekt durchgeführte Wiederherstellung der anatomischen Strukturen – in den meisten Fällen eine Operation – kann diese Beschwerden zu hohen Prozentsätzen langfristig heilen oder deutlich lindern (Liedl et al., 2019). Dazu zählen neben der Belastungs- oder Dranginkontinenz auch Symptome wie eine überaktive oder unteraktive Blase, Stuhlinkontinenz und anhaltende Beckenschmerzen (Goeschen et al., 2022).
Allerdings zeigen Daten, dass bei unsachgemäßer oder unvollständiger Behandlung die Rückfallraten (Rezidivoperationen) recht hoch ausfallen können. Eine gezielte Diagnostik und passgenaue Operationsplanung sind daher unerlässlich, um ein nachhaltiges Ergebnis zu erzielen.
Konservative Ansätze
Bei frühzeitigem Erkennen der Prolapsproblematik kann ein spezielles Beckenbodentraining helfen, die geschwächten Strukturen zu kräftigen. Ergänzend werden in manchen Fällen Vaginalpessare eingesetzt, die den abgesenkten Organen Halt geben. So lässt sich ein operativer Eingriff unter Umständen hinauszögern oder sogar vermeiden.
Moderne Operationsverfahren
Ist der Prolaps fortgeschritten oder sind die Beschwerden stark ausgeprägt, bieten unterschiedliche Verfahren Hilfe. Häufig angewandt werden:
Vaginale Rekonstruktion: Über die Scheide werden überdehnte Gewebeanteile gestrafft und gegebenenfalls durch Netztapes stabilisiert.
Laparoskopische Techniken: Über die Bauchhöhle wird die Scheide oder der Gebärmutterhals suspendiert.
Gebärmuttererhaltende Techniken: Wenn die Gebärmutter nicht entfernt werden muss, genügt es oft, lediglich ihre Haltestrukturen zu verstärken.
Fazit
Beckenorganprolaps ist weitaus mehr als ein unangenehmes „Absinken“ der Gebärmutter oder Blase. Durch die schwächere Haltestruktur können Harn- und Stuhlinkontinenz, Blasenentleerungsstörungen und Schmerzen entstehen, die den Alltag nachhaltig beeinträchtigen. Angesichts der hohen Zahl potenziell betroffener Frauen in Deutschland sollte das Thema mehr Offenheit und Aufmerksamkeit erhalten. Die medizinischen Möglichkeiten sind mittlerweile gut erforscht und zeigen: Eine fachgerechte Prolapskorrektur führt bei vielen Patientinnen zu einer deutlichen Verbesserung ihrer Beschwerden oder sogar einer vollständigen Heilung.
Auswahl zentraler Publikationen (2020–2024)
- Goeschen, K., Gold, D. M., Liedl, B., Yassouridis, A., & Petros, P. (2022). Non-Hunner’s Interstitial Cystitis Is Different from Hunner’s Interstitial Cystitis and May Be Curable by Uterosacral Ligament Repair. Urologia Internationalis, 1–9.
- Himmler, M., Göttl, K., Witczak, M., Yassouridis, A., Gold, D. M., & Liedl, B. (2022). The impact of transvaginal, mesh-augmented level one apical repair on anorectal dysfunction due to pelvic organ prolapse. International Urogynecology Journal, 1–13.
- Liedl, B., Wenk, M. (2024). Lower urinary tract (LUT) symptoms like over-(OAB) or underactive bladder (UAB) often are caused by pelvic organ prolapse (POP) in women and can often be cured by ligamentous POP-repair. Neurourol Urodyn Febr 12.
- Liedl, B., Goeschen, K., Yassouridis, A., Inoue, H., Abendstein, B., Müller-Funogea, I. A., & Caliskan, A. (2019). Cure of underactive and overactive bladder symptoms in women by 1,671 apical sling operations gives fresh insights into pathogenesis and need for definition change. Urologia Internationalis, 103(2), 228–234.