Digitale Helfer sind auch in der Urologie auf dem Vormarsch: Zur Unterstützung der Behandlung von Erektionsstörungen, von Prostatakrebs sowie verschiedenen Beschwerden im Zusammenhang mit der Blasenentleerung vornehmlich bei älteren Männern (LUTS) können sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen, kurz DiGA, bereits auf Rezept verordnet werden. Eine weitere „App auf Rezept“ zur unterstützenden Behandlung der Harninkontinenz der Frau ist aktuell in der Pipeline. Außerdem haben digitale Methoden das Potenzial, Kindern beim Trockenwerden zu helfen, wie jüngst eine große Übersichtsstudie zeigte.
Was ist eine Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA)?
Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind Programme, die sich auf Smartphone, Tablet oder PC installieren lassen und zur Unterstützung bei der Erkennung, Überwachung oder Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden. Sie werden vom Arzt verordnet und von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Voraussetzung ist die Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Dafür müssen die digitalen Anwendungen ihre Sicherheit und Wirksamkeit mithilfe von Studien nachweisen. Mit der Zulassung erhält die App den Status eines Medizinproduktes und wird als erstattungsfähige Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) vorläufig oder dauerhaft in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen. Laut dem zweiten DiGA-Report des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung wurden die Apps auf Rezept seit ihrer Einführung im Jahr 2020 bis Ende 2024 fast eine Million Mal genutzt. Heute gibt es 59 Apps im Verzeichnis.
Welche urologischen Apps können bereits verordnet werden?
Aktuell beinhaltet das DiGA-Verzeichnis drei urologische Gesundheitsanwendungen, die ärztlich verordnet werden können. Dauerhaft aufgenommen sind eine DiGA zur Behandlung von Erektionsstörungen und ihren Ursachen sowie eine digitale Therapie für Männer mit Blasenentleerungsstörungen, auch “Lower Urinary Tract Symptoms” (LUTS) genannt. Vorläufig in das Verzeichnis aufgenommen wurde eine DiGA für Patienten mit Prostatakrebs, die infolge einer operativen Entfernung der Prostata an einer Harninkontinenz und/oder erektilen Dysfunktion leiden.
DiGA zur Behandlung von Erektionsstörungen
„Kranus Edera“ hatte es Ende 2021 als erste urologische App in das DiGA-Verzeichnis geschafft und wurde 2023 dauerhaft aufgenommen. Das digitale Coaching unterstützt Patienten bei der leitliniengerechten Behandlung von Erektionsstörungen und ihren Ursachen. Nutzer der App durchlaufen ein 12-wöchiges Programm aus den Bausteinen Beckenbodentraining, physiotherapeutische Übungen, kardiovaskuläres Ausdauertraining sowie Achtsamkeits- und sexualtherapeutische Übungen. Wissensvermittlung über die Erkrankung und Tipps, z.B. zur Ernährung und zu vorbeugenden Maßnahmen ergänzt die Therapie.
DiGA hilft Patienten mit Blasenentleerungsstörungen (LUTS)
Mit „Kranus Lutera“ ist seit 2024 eine zweite urologische DiGA dauerhaft im Verzeichnis vertreten. Sie bietet Männern mit häufigem Harndrang bei vergrößerter Prostata und überaktiver Blase eine personalisierte Therapie über 12 Wochen. Dazu gehören ein Miktionstagebuch, in dem Patienten Flüssigkeitsaufnahme, Mahlzeiten, Miktion und Symptome dokumentieren können. Die App beinhaltet Beckenboden- und physiotherapeutische Übungen mit Anleitungen über Text, Video und interaktive Elemente. Mittels Blasentraining und Verhaltenstherapie soll die Blasenkapazität erweitert und die Miktionsfrequenz reduziert werden. Zur Ablenkung und Kontrolle bei akutem Harndrang ermöglicht ein „Drang-Stopp“-Button schnellen Zugang zu Kurzübungen und Spielen.
DiGA unterstützt Prostatakrebspatienten
Vorläufig im DiGA-Verzeichnis aufgenommen wurde mit „Uroletics“ eine digitale Gesundheitsanwendung für Patienten mit Prostatakrebs. Das leitliniengerechte, 3D-gestützte Beckenboden-Trainingsprogramm begleitet Männer, die infolge einer operativen Entfernung der Prostata an einer Harninkontinenz und/oder erektilen Dysfunktion leiden. Es kann aber auch bereits vor dem Eingriff eingesetzt werden, da Beckenbodentraining vor der operativen Prostataentfernung dazu beitragen kann, die Kontrolle über die Blasenfunktion nach der Operation schneller wiederzuerlangen. Weiter bietet die App ein psychoonkologisches Mentalcoaching, einen digitalen PSA-Nachsorgekalender und ein „Komplikationsradar“.
In der Pipeline: DiGA zur Harninkontinenz der Frau
Eine weitere urologische App auf Rezept für Frauen mit Harninkontinenz steht laut Herstellerangaben in den Startlöchern. So berichtete das Unternehmen Kranus Health, dass der klinische Nutzen seiner digitalen Therapie „Kranus Mictera“ belegt sei. Aufgrund der Ergebnisse der randomisierten, kontrollierten DINKS-Studie werde eine dauerhafte Aufnahme der App in das DiGA-Verzeichnis angestrebt. Die Anwendung umfasst demnach Blasentraining, Beckenbodentraining, ein digitales Miktionstagebuch sowie Wissensvermittlung für ein besseres Krankheitsverständnis von Betroffenen und ermöglicht eine umfassende und patientenorientierte Therapie bei Stress-, Drang- und Mischinkontinenz. Die Übungen würden wöchentlich auf Basis des Patienten-Feedbacks individuell angepasst.
Digitale Methoden haben Potenzial zur Behandlung von kindlicher Inkontinenz
Dass digitale Methoden auch Kinder beim Trockenwerden unterstützen könnten, hat jüngst eine große internationale Übersichtsstudie (Bladt L et al., Innovative, Technology-Driven, Digital Tools for Managing Pediatric Urinary Incontinence: Scoping Review) gezeigt. Sie analysierte technologiegestützte Behandlungsansätze bei Kindern bis 18 Jahren wie digitale Gesundheitsanwendungen, Fernüberwachung und spielerische Therapieformen. Ergebnis: Digitale Lösungen könnten die Behandlung von kindlicher Inkontinenz durch höhere Motivation, mehr Therapietreue und größere Zufriedenheit wesentlich verbessern. Allerdings sei weitere Forschung nötig, um die Wirksamkeit von digitalen Therapien besser zu belegen. So sind entsprechende verordnungsfähige Apps für Kinder im deutschen DiGA-Verzeichnis bisher nicht vertreten.
Viele weitere Information über Erektionsstörungen, LUTS, Prostatakrebs und Harninkontinenz finden Sie hier auf dem Patientenportal der Urologischen Stiftung Gesundheit. Starten Sie zum Bespiel in unserer Rubrik „Urologie Kompakt“.