Sie haben es vielleicht hier auf der Website der Urologischen Stiftung Gesundheit (USG) gelesen: Die aktualisierte Leitlinie Prostatakrebs gibt Patienten und ihren Ärzt:innen auch bei der Behandlung von lokal begrenztem Prostatakrebs mit niedrigem Risiko neue Empfehlungen. Bei dieser Form der Erkrankung wird aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zunächst nicht mehr die Operation oder die Bestrahlung, sondern die Aktive Überwachung empfohlen. Eine kürzlich veröffentlichte schwedische Langzeitstudie untermauert das Votum der Expertinnen und Experten nun weiter und bestätigt die Sicherheit der Aktiven Überwachung. Sie zeigt aber auch, dass die Überwachung dauerhaft notwendig ist.

Was bedeutet Aktive Überwachung?

Aktive Überwachung (auch „Active Surveillance“, kurz AS, genannt) ist ein Konzept für Männer mit Prostatakrebs mit niedrigem Risiko. Ziel ist es, unnötige Behandlungen mit ihren möglichen Nebenwirkungen – etwa Inkontinenz, Erektionsstörungen oder Störungen der Darmfunktion – zu vermeiden, solange der Krebs keine Gefahr darstellt.
Bei der Active Surveillance (AS) wird der Krebs mittels PSA-Wertbestimmung und Tastuntersuchung der Prostata sowie bildgebenden Verfahren und erneuter Gewebeuntersuchung (Biopsie) in festgelegten Abständen aktiv überwacht. Wird ein Fortschreiten der Erkrankung erkannt, wird eine aktive Behandlung begonnen

„Mit der aktiven Überwachung vermeiden wir Überbehandlungen und behalten gleichzeitig den Patienten im Blick, um handeln zu können, sobald es nötig ist“, erklärte Leitlinien-Koordinator Professor Dr. Marc-Oliver Grimm anlässlich der Veröffentlichung der neuen Handlungsempfehlungen, die unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. erstellt wurden.

Was hat die schwedische Langzeitstudie untersucht?

Die aktuelle Langzeitstudie der Universität Göteborg hat Daten von 488 Prostatakrebspatienten unter Aktiver Überwachung über einen Zeitraum von bis zu 25 Jahren nachbeobachtet und analysiert. 251 der Patienten wiesen Prostatakrebs mit sehr geringem Risiko, 129 mit geringem Risiko und 108 Männer Prostatakrebs mit einem mittleren Risiko auf.
Die Daten stammen von Patienten, die an der vor fünfzehn Jahren veröffentlichten Göteborg-1-Prostatakarzinomstudie teilgenommen haben.

Ergebnis: Die prostatakrebsspezifische Überlebensrate betrug nach 25 Jahren 94 Prozent. Bei Patienten mit Prostatakrebs mit sehr niedrigem Risiko lag sie sogar bei 99 Prozent.

Die Langzeitstudie zeigte aber auch, dass bei 232 Patienten die Aktive Überwachung im Laufe der Nachbeobachtungszeit schließlich auf eine aktive Behandlung umgestellt wurde. In fast der Hälfte dieser Fälle wurde die Umstellung allerdings erst mehr als zehn Jahre nach der Diagnose notwendig. Das Risiko, dass die Active Surveillance nicht mehr ausreichte, war umso niedriger, je geringer das Risiko des Krebses eingestuft worden war.

Fazit: Active Surveillance (AS) ist sicher, bleibt aber dauerhaft notwendig

Die Studienautor:innen kommen zu dem Schluss, dass Männer unter Aktiver Überwachung ein geringes Risiko haben, an Prostatakrebs zu sterben. Sie betonen zugleich, dass der Anteil von Männern, die schließlich behandelt werden müssen, hoch ist und die Notwendigkeit für eine aktive Behandlung mit der Zeit zunimmt – was die Bedeutung einer lebenslangen Überwachung unterstreicht.

Warum wechseln manche Patienten von der Überwachung zur Behandlung?

Warum manche Patienten von der Aktiven Überwachung zu einer Behandlung wechseln, ohne dass ein Fortschreiten der Erkrankung festgestellt wurde, hat eine aktuelle US-Studie mittels zweier bevölkerungsbasierter Krebsregister im Großraum Detroit und im Bundesstaat Georgia untersucht. 725 Patienten mit Prostatakrebs mit niedrigem Risiko, die eine Aktive Überwachung begonnen hatten, wurden zwei Jahre nach der Diagnose befragt, welche Faktoren ihre Entscheidung beeinflusst hatten, die Überwachung beizubehalten oder auf eine Behandlung umzusteigen. Danach waren noch 578 Patienten (80 %) in der Überwachung; 147 Männer (20 %) hatten zu einer Behandlung gewechselt. Sie hatten den „Wunsch, den Krebs loszuwerden“ und „Sorge wegen dem unbehandelten Krebs“.

Ärztliche Beratung scheint entscheidend

Zudem zeigte sich, dass Patienten in Georgia häufiger von der Überwachung zur Behandlung wechselten. Daraus schließen die Studienautoren, dass eine einheitliche Aufklärung dazu beitragen könnte, Prostatakrebspatienten bei einer fundierten Entscheidung über die Therapieplanung zu unterstützen.

Da die Entscheidung für die Überwachung des Krebses herausfordernd und für die Patienten dauerhaft belastend sein kann, betont auch die aktualisierte deutsche Prostatakrebs-Leitlinie: Die Aktive Überwachung erfordert eine besonders intensive ärztliche Beratung und Begleitung.

Weitere Informationen:

Online-Vortrag zu den Neuerungen der Prostatakrebs-Leitlinie
Interessierten, die sich weiter über die neuen Empfehlungen der überarbeiteten Leitlinie informieren möchten, bietet ein Online-Vortrag des Bundesverbands Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. (BPS) am 15. September 2025 Gelegenheit dazu. Dort stellt Prof. Dr. Marc-Oliver Grimm die neue Leitlinie vor.
Unter dem nachfolgenden Link geht es zur Anmeldung auf der Website des BPS:
https://prostatakrebs-bps.de/28-august-2025-online-vortrag-vorstellung-der-s3-leitlinie-prostatakarzinom-inklusive-der-aktuellen-neuerungen/

Weitere Informationen über aktuelle Entwicklungen und Fortschritte in der Prostatakrebsbehandlung finden Sie natürlich auch hier auf der Website der USG:
https://urologische-stiftung-gesundheit.de/aktuelle-entwicklungen-und-fortschritte-in-der-prostatakrebsbehandlung-ein-ueberblick-der-neuesten-therapien-und-diagnosemethoden/

Quellen:
Emmeli Palmstedt et al., Active Surveillance for Screen-detected Low- and Intermediate-risk Prostate Cancer: Extended Follow-up up to 25 Years in the GÖTEBORG-1 Trial
Kevin B. Ginsburg et al., Factors associated with switching from active surveillance to treatment in men with low-risk prostate cancer: A population-based study