Interstitielle Cystitis, kurz IC: Der Name ist schwierig auszusprechen, die Erkrankung eine Qual für die Betroffenen. Sie leiden vor allem unter stechenden Unterleibsschmerzen und andauerndem Harndrang mit bis zu 60 Toilettengängen pro Tag und Nacht, vielfachen Begleiterkrankungen und einer stark eingeschränkten Lebensqualität. Bis heute ist die nichtbakterielle und chronische Entzündung der Harnblasenwand oder der Harnröhre auch unter Mediziner:innen wenig bekannt. Die Diagnosestellung erfolgt oft erst nach jahrelanger Ärzte-Odyssee. Die im Juli 2025 veröffentlichte komplette Überarbeitung der S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Interstitiellen Zystitis (IC/BPS)“ soll nun mehr Aufmerksamkeit schaffen und eine bessere Versorgung der Patientinnen und Patienten ermöglichen.
Interstitielle Cystitis (IC) : Frauen erkranken häufiger
Die IC/BPS untergliedert sich in die Interstitielle Zystitis (IC) und das Blasenschmerzsyndrom (Blader Pain Syndrome/BPS) und wird in Deutschland selten diagnostiziert. Die Dunkelziffer ist unbekannt. Die Erkrankung tritt in jedem Alter, auch bei Kleinkindern und Jugendlichen, auf. Am häufigsten erkranken Menschen mittleren Alters – Frauen neun Mal häufiger als Männer. Laut der aktualisierten Leitlinie betrifft die Erkrankung etwa 52-500 von 100.000 Frauen und etwa 8-41 von 100.000 Männern. Die genauen Ursachen der unheilbaren Blasenerkrankung sind noch weitgehend unbekannt. Experten gehen von einer Schädigung des Gewebes der ableitenden Harnwege, vor allem der Blasenwand, aufgrund eines Immundefektes aus.
IC-Patient:innen: hoher Leidensdruck und eingeschränkte Lebensqualität
Neben ständigen Unterleibsschmerzen und Harndrang leiden die Betroffenen zusätzlich häufig an Muskel- und Gelenkschmerzen, Migräne, Allergien sowie Dickdarm- und Magenproblemen. 80 Prozent der IC/BPS-Patienten haben gravierende Alltagsprobleme. Nicht selten führt die Erkrankung in die soziale Isolation und sogar zur Erwerbsunfähigkeit. Die Minderung der Lebensqualität kann ausgeprägter sein als bei Patienten mit Malignomen [= Krebs] oder Dialyse beziehungsweise massiver Herzinsuffizienz, heißt es im Update der Leitlinie.
Neun Jahre bis zur Diagnose einer IC/BPS: Warum dauert es so lange?
Bis Betroffene die Diagnose einer Interstitiellen Cystitis erhalten, vergehen, einer Studie zufolge, im Schnitt neun Jahre. Fast die Hälfte der Patient:innen suchten demnach über 20-mal einen Arzt/eine Ärztin auf, ehe die Diagnose in den allermeisten Fällen durch Urolog:innen gestellt wurde. Wie der Urologe Dr. Björn Theodor Kaftan anlässlich der Publikation der Leitlinie gegenüber der Ärzte Zeitung betont, werde die Erkrankung unter anderem deshalb häufig verkannt, weil sie unspezifische Symptome habe – Beschwerden wie Schmerzen und häufiger Harndrang, die sich mit vielen anderen Erkrankungen überschneiden. Dr. Kaftan ist Koordinator des Leitlinien-Updates, das unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) erfolgte.
Wegen der Vielzahl verwechselbarer Erkrankungen (zum Beispiel die überaktive Blase, Reizdarm oder die gynäkologische Erkrankung der Endometriose) sieht die Leitlinie eine breit gefächerte systematische „Differenzialdiagnostik“ vor, um andere mögliche Krankheiten mit ähnlichen Symptomen auszuschließen. Dafür bietet die Leitlinie einen systematischen Überblick und eine Bewertung der vorhandenen diagnostischen Möglichkeiten.
Behandlung der Interstitiellen Cystitis erfordert multimodale Therapie
Auch die große Zahl der Behandlungsmöglichkeiten wird in der neuen Leitlinie strukturiert dargestellt und bewertet. Empfohlen werden ein individuell abgestuftes Vorgehen und eine sogenannte „multimodale Therapie“, wobei unterschiedliche Behandlungsansätze aus verschiedenen medizinischen Disziplinen eingesetzt werden. Dazu gehören u.a. Lebensstil und Ernährung, medikamentöse Therapien, Installationstherapien, bei denen Medikamente direkt in die Harnblase eingebracht werden, Physiotherapie, eine psychotherapeutische Mitbehandlung, aber auch komplementärmedizinische Verfahren wie Akupunktur.
Mehr Bewusstsein schaffen! Neue Leitlinie will breite Fachwelt und Patient:innen erreichen
Fazit: Die Komplett-Überarbeitung der S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Interstitiellen Zystitis (IC/BPS)“ bietet umfassende und strukturierte Handlungsempfehlungen und bezieht alle an der Versorgung beteiligten medinischen Fachgebiete und Organisationen sowie die Patient:innen ein. So kann sie eine Vielzahl von Adressaten erreichen und vor allem Hausärzt:innen, Urolog:innen und Gynäkolog:innen für die bislang wenig bekannte chronische Erkrankung der Harnblase sensibilisieren und dazu beitragen, dass die IC/BPS früher erkannt, nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen behandelt und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten verbessert wird.
Weiterführende Informationen
Mehr zum Thema lesen Sie hier auf dem Patientenportal der Urologischen Stiftung Gesundheit unter folgendem Link:
https://urologische-stiftung-gesundheit.de/erkrankungen/seltene-urologische-erkrankungen/interstitielle-cystitis-ic-ursachen-symptome-und-behandlung/
Weitere Informationen und eine Übersicht zertifizierter IC-Zentren bietet die Deutsche Kontinenz Gesellschaft:
https://www.kontinenz-gesellschaft.de/fuer-patienten/interstitielle-zystitis-ic-2/
Die S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Interstitiellen Zystitis (IC/BPS)“ finden Sie unter folgendem Link:
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/043-050