Nieren- und Harnwegsinfektionen

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Einleitung

Urin wird in den Nieren gebildet. Dies geschieht durch Filtration des Blutes. Der Körper wird auf diesem Weg von Stoffwechselprodukten und überschüssiger Flüssigkeit befreit. Der Urin wird dann über die Harnleiter zur Harnblase transportiert, welche als reines Speicherorgan fungiert. Bei Entleerung der Harnblase wird der Urin über die Harnröhre ausgeschieden. Normalerweise sind die Harnwege, angefangen bei der Niere bis hin zur Harnröhre (der sog. Harntrakt) frei von einer relevanten Bakterienzahl. Relativ häufig treten allerdings unangenehme und schmerzhafte Harnwegsentzündungen auf. Diese Entzündungen können entweder Teile oder den gesamten Harntrakt betreffen.

 Dieser Text soll interessierten Patientinnen und Patienten helfen Beschwerden, Untersuchungen und Behandlungsverfahren bei Harnwegsentzündungen besser zu verstehen.

Häufigkeit und Einteilung von Nieren- und Harnwegsentzündungen


Abb. 1 Harntrakt beim Mann; (c) Fa. Apogepha, Dresden, mit freundlicher Genehmigung

Nieren- und Harnwegsentzündungen stellen eine sehr häufige Infektionskrankheit dar. Von 100 Frauen weisen etwa 5 eine Harnwegsentzündung auf.

Grundsätzlich wird zwischen einer asymptomatischen Bakteriurie und einem floriden Harnwegsinfekt unterschieden. Unter einer asymptomatischen Bakteriurie versteht der Urologe dabei den Nachweis von Bakterien im Urin, ohne dass diese irgendwelche Beschwerden verursachen. Dies findet sich oft bei Patienten, welche z.B. dauerhaft mit Kathetern versorgt sind, kann aber auch beim ansonsten gesunden Menschen auftreten. In den meisten Fällen ist hier keine Therapie notwendig (siehe unten)

Ein florider Harnwegsinfekt äußert sich hingegen in deutlichen Beschwerden, die durch die bakterielle Besiedlung der Harnwege verursacht werden.

Das Spektrum reicht dabei von einer unangenehmen, aber nicht gefährlichen unkomplizierten Harnblasenentzündung bis hin zur Nierenbeckenentzündung, welche wiederum als Komplikation eine bedrohliche Blutvergiftung nach sich ziehen kann.


Abb. 2 Unterer Harntrakt der Frau; (c) Fa. Apogepha, Dresden, mit freundlicher Genehmigung

Frauen sind etwa viermal häufiger als Männer betroffen. Nach einem ersten Häufigkeitsgipfel in der Kindheit sind während der Jugendzeit wenige Harnwegsentzündungen zu beobachten. Bei der jungen geschlechtsaktiven Frau steigt die Rate wieder an. In der Schwangerschaft sind Frauen besonders gefährdet. In dieser Zeit kann sich aus einer ansonsten harmlosen Keimbesiedlung der Harnblase leicht eine gefährliche Niereninfektion entwickeln.


Abb. 3 Unterer Harntrakt des Mannes; (c) Fa. Apogepha, Dresden, mit freundlicher Genehmigung

Beim Mann kommt es im Alter zwischen 60 und 70 Jahren zu einem Anstieg der Infekthäufigkeit. Ursache ist häufig eine gutartige Prostatavergrößerung (benigne Prostatahyperplasie). Durch die schlechtere und zunehmend unvollständige Entleerung der Harnblase bildet sich Restharn. Hierdurch werden Bakterien aus dem Harntrakt schlechter ausgewaschen und die Infekthäufigkeit steigt an.

Bei unkomplizierten Harnwegsentzündungen liegen keine den Harnabfluss behindernde Störungen wie z.B. ein Harnstein, Fehlbildungen der Harnwege oder narbige Gewebsveränderungen vor.

Außerdem haben Patienten mit sog. unkomplizierten Harnwegsentzündungen definitionsgemäß keine „Rückzugsgebiete“ für Bakterien in Harnblase oder Nieren wie z.B. Katheter, Harnsteine oder Tumoren. Diese „Rückzugsgebiete“ bilden sonst Siedlungsflächen für Bakterien, so dass der Urinfluss diese nicht fortspülen kann und Bakterien auch durch Antibiotika nicht ausreichend bekämpft werden können.

Auch eine allgemein eingeschränkte Immunabwehr oder Entzündungen begünstigende Erkrankungen wie z.B. Diabetes oder Gicht müssen dabei bedacht werden.

Bei komplizierten Harnwegsentzündungen findet man hingegen mindestens eine der in der Tabelle 1 genannten Veränderungen.

Patienten mit häufig wiederauftretenden sowie komplizierten Harnwegsentzündungen müssen sorgfältig vom Urologen untersucht werden.

Eine besondere Gruppe stellen die Patienten dar, die typische Symptome einer Harnwegsentzündung aufweisen, bei denen aber keine bakterielle Infektion nachzuweisen werden kann. Hier kommen z.B. Tumoren, bestimmte Medikamente, Bestrahlungen oder Allergien als Ursache in Frage. Häufig ist jedoch eine eindeutige Ursache nicht zu finden (z.B. bei der sogenannten interstitiellen Zystitis).

Beschwerden bei Nieren- und Harnwegsentzündungen

Manchmal zeigen Harnwegsentzündungen nur ein einziges Symptom. Meistens liegt aber eine Kombination von Beschwerden vor.

Typische Beschwerden einer Harnwegsentzündung können brennende Schmerzen beim Harn lassen, häufiger Harndrang, abgeschwächter Harnstrahl, Ausfluss aus der Harnröhre oder teils unkontrollierter Urinverlust sein.

Für Patient oft beunruhigend ist die im Rahmen der Entzündung nicht selten sichtbare Blutbeimengung im Urin. Da Blut ein kräftiger „Farbstoff“ ist, führen bereits geringe Beimengungen zu einer intensiven Rotverfärbung des Urins. Von der Menge her ist deshalb das Ausmaß des Blutverlustes nur selten gefährlich.

Schmerzen können im Bereich des Unterbauches und der Flanken, aber auch im Bereich des Damms und der Genitalien auftreten.

Bei Männern mit Entzündung der Vorsteherdrüse (Prostata) können zusätzlich Blutbeimengungen im Ejakulat und Schmerzen im Enddarmbereich vorkommen.



Besonders wichtig sind Beschwerden, die auf eine Beteiligung der Nieren oder generell auf eine schwerere Entzündung hinweisen. Dies sind z. B. Fieber (>38°C), Schüttelfrost, Flankenschmerzen auf einer oder beiden Seiten und ein mehr oder weniger ausgeprägtes Krankheitsgefühl – ähnlich wie bei einer Grippe.

Darüber hinaus können schwere Harnwegsentzündungen auch von Übelkeit und Erbrechen begleitet werden.

Manchmal zeigen Harnwegsentzündungen nur ein einziges Symptom. Meistens liegt aber eine Kombination von Beschwerden vor.


Beim Auftreten dieser allgemeinen Krankheitszeichen muss rasch der Arzt aufgesucht werden, damit sofort eine Untersuchung und Behandlung eingeleitet werden kann.



Es gibt auch Harnwegsentzündungen, die ohne Beschwerden ablaufen. Es handelt sich um die bereits erwähnte asymptomatische Bakteriurie. Diese werden nur entdeckt, wenn der Patient Urin für eine Routinekontrolle abgibt. Besteht der Verdacht auf eine Verunreinigung der Urinprobe, muss die Untersuchung (siehe Abschnitt Untersuchungsverfahren) wiederholt werden. War aber die Urinuntersuchung korrekt und wurde eine Entzündung ohne Beschwerden gefunden, sollte in der Regel nur bei Schwangeren oder Patienten nach Organtransplantation routinemäßig eine Behandlung erfolgen.

Einen besonderen Fall stellt der wiederholte Nachweis von relevanten Mengen an weißen Blutkörperchen (Leukozyten) ohne Bakteriennachweis im Urin dar.

Hierbei sollte auch an eine Tuberkulose der ableitenden Harnwege gedacht werden. Auch wenn es sich bei der Tuberkulose um eine eher selten Erkrankung handelt muss die Möglichkeit in betracht gezogen werden.

Die Diagnostik ist dabei eher schwierig und es sind spezielle Untersuchungen des Morgenurins erforderlich.

Bei allen anderen Patienten mit einer asymptomatischen Bakteriurie kann man zunächst abwarten, da durch die Keimbesiedlung ohne Beschwerden in den allermeisten Fällen keine Probleme entstehen und die Bakterien im weiteren Verlauf häufig von selber verschwinden.

Untersuchung bei Verdacht auf Nieren- und Harnwegsentzündungen

Neben der Angabe der Beschwerden durch den Patienten dient dem Arzt eine körperliche Untersuchung zur Sicherung der Diagnose.

Zentraler Punkt der Diagnostik ist eine Urinuntersuchung. Zu diesem Zweck gibt der Patient eine Urinprobe in einem sterilen Gefäß ab. Bei Gewinnung der Urinprobe ist darauf zu achten, dass die Männer ihre Vorhaut zurückstreifen und bei Frauen die Schamlippen gespreizt werden um Verunreinigungen der Probe durch Hautkeime zu vermeiden.

Anschließend lässt der Patient ein wenig Urin in die Toilette und fängt bei laufendem Strahl die mittlere Portion mit dem zur Verfügung gestellten Urinbecher auf (sogenannter Mittelstrahlurin). Dabei darf die Innenseite des Bechers mit Fingern oder Anteilen des Genitales nicht berührt werden. Bei häufig wiederkehrenden, unklaren oder schwierigen Fällen kann auch die Abnahme von Katheterurin erfolgen. Diese Untersuchung dient der Gewinnung von Urin, der möglichst wenige Verunreinigungen aus dem Genitalbereich aufweist. Damit kann eine Harnwegsentzündung zuverlässiger nachgewiesen oder ausgeschlossen werden.



Der Urin wird dann mit Teststreifen und unter dem Mikroskop untersucht. Hierbei können im Rahmen eines Harnwegsinfektes z.B. rote und weiße Blutkörperchen und Bakterien nachgewiesen werden.

Meistens wird zusätzlich eine sog. Urinkultur angelegt. Hierzu wird zusätzlich auf einer Agarplatte (eine Plastikschale mit einer Art Gelee, auf dem die Bakterien wachsen können) der zu untersuchende Urin verteilt.

Durch diese Untersuchung kann die genaue Art des Erregers und seine Empfindlichkeit gegenüber verschiedenen Antibiotika festgestellt werden.

Außerdem ist eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) der Harnwege zu empfehlen um Nieren und Harnblase besser beurteilen zu können.

Unter anderem wird auch der sog. Restharn durch Ultraschall gemessen. Beim Restharn handelt es sich um die Urinmenge, die unmittelbar nach dem Harn lassen noch in der Harnblase verblieben ist. Die gesunde Harnblase wird restharnfrei entleert.

Diese Kombination aus Untersuchungen ermöglichen bereits in vielen Fällen den Nachweis oder Ausschluss von Erkrankungen wie Harnsteinen, Tumoren oder Abflussstörungen des Harntraktes und damit eine Einteilung in komplizierte und unkomplizierte Entzündungen.



Bei weiteren Untersuchungen wird der Urologe, insbesondere wenn schon häufiger Harnwegsentzündungen aufgetreten sind, nach Fehlbildungen und funktionellen Störungen des Harntraktes suchen, um diese nach Möglichkeit zu beseitigen und damit weiteren Entzündungen vorzubeugen.

Hierzu können eine Röntgenuntersuchung der Harnwege mit Kontrastmittel oder auch eine Blasenspiegelung (siehe dort) sinnvoll sein. Derartige Untersuchungen erfolgen allerdings erst nachdem die akute Entzündung ausreichend behandelt wurde.

In besonderen Fällen können auch Abstriche aus Harnröhre und Scheide notwendig sein. Beim Mann wird bei Verdacht auf Prostataentzündung ein Ausmassieren der Prostata mit Untersuchung des so gewonnenen Prostatasekretes vorgenommen. Manchmal wird auch das Sperma auf Entzündungszellen und Bakterien untersucht.



Einige Blutuntersuchungen, wie z.B. Zahl der weißen Blutkörperchen, Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit oder die Bestimmung eines bestimmten Entzündungsmarkers (C-reaktives Protein – CRP) helfen neben den Beschwerden des Patienten festzustellen, ob eine schwerwiegende Entzündung im Körper vorliegt oder nicht.

In der Folge seien einige spezielle Untersuchungen genannt, welche zur Abklärung von komplizierten oder rezidivierenden Harnwegsinfekten eingesetzt werden können:

Bei einer Harnstrahlmessung (Uroflowmetrie) uriniert der Patient bei voller Harnblase statt in die Toilette in einen Messapparat. Hierzu sei auf das gesonderte Kapitel verwiesen.

Bei der Harnblasenfunktions- Röntgenuntersuchung (Miktionszystourographie , MCU) wird die Harnblase mit Röntgen-Kontrastmittel gefüllt. Anschließend entleert der Patient unter Röntgenkontrolle die Harnblase. Diese Untersuchung kann einen Rückfluss von Urin von der Harnblase zur Niere (vesiko-renalen Reflux) nachweisen, der normalerweise nicht vorkommt. Ein Reflux kann durch z.B. eine Operation beseitigt werden. Daraus lassen sich auch Schlüsse ziehen, ob vielleicht eine gestörte Harnblasenfunktion die Ursache für die häufigen Harnwegsentzündungen darstellt.



Nierenröntgen mit Kontrastmittel (Ausscheidungsurographie) sowie Harnröhren- und Harnblasenspiegelung (Urethrozystoskopie) werden bei bestimmten Fragestellungen durchgeführt.

Erreger bei Harnwegsentzündungen

Die meisten Harnwegsentzündungen werden durch Stäbchen- oder Kugelbakterien wie z.B. E. coli, Klebsiellen, Proteus oder Enterobacter hervorgerufen. Hierbei handelt es sich oft um Bakterien welche im Darm des Menschen vorkommen.

Als Erreger von komplizierten Harnwegsentzündungen kommen darüber hinaus auch andere Bakterienarten in Frage, die unempfindlich (resistent) gegenüber vielen Antibiotika sein können.

Falls die Behandlung mit Antibiotika nicht anschlägt, muss neben Unempfindlichkeit (Resistenz) der Bakterien auch an Chlamydienbakterien, Mykoplasmenbakterien, Tuberkulose, Parasiten oder Pilze als Erreger von Harnwegsentzündungen gedacht werden. Viren spielen bei Harnwegsentzündungen hingegen kein relevante Rolle, Adenoviren können aber unter grippeähnlichen Symptomen eine hämorrhagische Zystitis auslösen.

Allgemeines zur antibiotischen Therapie bei Nieren- und Harnwegsentzündungen

Entscheidend für die Wahl eines geeigneten Antibiotikums und die Dauer der Behandlung ist die Information des Arztes über bekannte Risikofaktoren wie vorangegangene Entzündungen, ungewollter Urinverlust (Harninkontinenz), erhöhte Nierenblutwerte (chronisches Nierenversagen), Schwangerschaft oder Allergien. Dabei ist abzuklären, ob die Entzündung zum erstenmal oder bereits öfter aufgetreten ist. Manchmal kommt es auch nach ärztlichen Eingriffen in der Praxis oder im Krankenhaus zu Harnwegsentzündungen.



Abhängig davon, ob der Arzt eine unkomplizierte oder komplizierte Nieren- oder Harnwegsentzündung vermutet, wird die Art des Medikamentes und der Behandlung (Tabletten, Granulatbeutel oder Spritzen/Infusionen) sowie die Dauer der Behandlung festgelegt.



Wichtig ist besonders, dass man die Medikamente so lange einnimmt, wie sie der Arzt verordnet hat. Manche Entzündungsarten, z.B. die unkomplizierte Harnblasenentzündung der Frau, müssen nur kurzzeitig behandelt werden. Bei schweren Infektionen muss länger behandelt werden. Selbst wenn die Beschwerden vielleicht schon völlig verschwunden sind, bezweckt der Arzt mit der längeren Behandlungsdauer eine sichere Ausheilung mit vollständiger Beseitigung aller Erreger, z.B. hartnäckigen Nierenbeckenentzündungen.

Wird die Behandlung vorzeitig abgebrochen, ist mit einer erneuten Vermehrung desselben Erregers und dann mit einer erneuten Verschlechterung der Beschwerden zu rechnen.

Leider ist die Zuverlässigkeit bei der Einnahme von Medikamenten recht unterschiedlich. Bis zu einem Fünftel der Patienten nimmt die verordneten Antibiotika überhaupt nicht und nur ein Drittel vorschriftsmäßig ein.



Es gibt kein Antibiotikum, das grundsätzlich alle für eine Harnwegsentzündung in Frage kommenden Bakterien abtöten kann. Deswegen ist es dem Arzt auch nicht möglich, einem Patienten eine Heilungsgarantie zu geben. In der Regel werden vor Beginn einer Behandlung mit Antibiotika die bereits erwähnten Urinkulturen angelegt. Die Ergebnisse der Untersuchung liegen aber erst nach etwa 2 – 3 Tagen vor. So wird häufig aufgrund der ausgeprägten Beschwerden der Patienten mit einem Antibiotikum begonnen, welches mit einer hohen Wahrscheinlichkeit den auslösenden Erreger erfolgreich bekämpft (sog. kalkulierte Antibiose).

Nach Eingang des Kulturergebnisses kann dann entweder die Therapie umgestellt werden, falls eine Resistenz vorliegt, oder unverändert fortgeführt werden, sofern das anfangs eingesetzte Antibiotikum sich als das richtige erwiesen hat.

Nimmt der Patient sein Antibiotikum ausreichend lang ein und kommt es trotzdem nicht zum Verschwinden der Beschwerden, kann dies zum einen daran liegen, dass das Medikament nicht ausreichend aus dem Darm aufgenommen wird oder auch dass während der Behandlung eine Unempfindlichkeit (Resistenz) der Bakterien gegenüber dem eingenommenen Antibiotikum aufgetreten ist. In solchen Fällen wird man entsprechend der Ergebnisse der Resistenzprüfung der Bakterien auf ein anderes Medikament, bei Bedarf auch in Form einer Infusions- oder Spritzenbehandlung wechseln. Weiterhin können auch noch nicht entdeckte komplizierende Faktoren die Heilung verhindern, so dass der Urologe eventuell weiterführende Untersuchungen einleiten wird.



Von der Liste möglicher Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel eines Antibiotikums sollte man sich nicht abschrecken lassen. Hier sind zahlreiche, z. T. äußerst selten auftretende Nebenwirkungen zusammengefasst, da dies heute Vorschrift ist. Das gesundheitliche Risiko einer nicht ausreichenden oder fachgerechten Behandlung ist fast immer höher als das sich aus den möglichen Nebenwirkungen ergebende.

Der Patient muss gelegentlich auch Risiken in Kauf nehmen. Falls es aber doch einmal zu unerklärlichen Beschwerden im Rahmen der Behandlung kommt, sollte der Arzt sofort kontaktiert werden.

Manchmal meint der Patient auch, er habe eine Allergie gegen “Antibiotika“ und könne keine einnehmen. Dies ist möglich. Man sollte aber bedenken, dass es sehr viele, ganz verschiedene Antibiotikagruppen gibt. Wenn man die Medikamente einer Gruppe nicht verträgt, so gilt dies nicht automatisch auch für die anderen. Deshalb ist es sehr wichtig, sich frühere Unverträglichkeiten wie Übelkeit, Unwohlsein, Hautausschlag oder schwere allergische Reaktionen mit dem Namen des Medikaments so zu merken, dass diese Information an den Arzt weitergegeben werden kann.



Risikopatienten bedürfen der besonderen Fürsorge des Arztes. Während der Schwangerschaft dürfen ausschließlich Antibiotika eingesetzt werden, welche keine Schäden beim heranwachsenden Kind auslösen. Gleiches gilt für Patientinnen in der Stillzeit.

Bei sehr starken Schmerzen, z.B. im Rahmen einer Nierenbeckenentzündung, kann die ergänzende Gabe von Schmerzmitteln notwendig sein.

Wichtig ist trotz der Beschwerden die Flüssigkeitszufuhr hoch zu halten, damit der Harn verdünnt wird und Bakterien aus dem Harntrakt ausgeschwemmt werden können. Verdünnter Harn erschwert den Bakterien zudem das Überleben im Harntrakt.

Wasser, Früchte- oder Blättertees sind uneingeschränkt zu empfehlen. Kaffee, schwarzer Tee und Alkohol sollten nicht verwendet werden.

Behandlung bei akuten Harnwegsentzündungen

  • Einfache, unkomplizierte Harnblasenentzündung
    Bei der unkomplizierten Harnblasenentzündung der Frau empfiehlt sich eine Einmal- oder Kurzzeitbehandlung über 3 Tagen. Der behandelnde Arzt wird das am besten geeignete Medikament auswählen. Die Erfolgsquoten bei der Kurzzeitbehandlung liegen, je nach eingesetzter Substanz, zwischen 80 und 100%. Bei bekannten Risikofaktoren (s.u.) sollte die Behandlung länger durchgeführt werden.

    Die Gefahr einer Resistenzentwicklung ist bei der Kurzzeittherapie geringer als bei einer längeren Therapie. Außerdem treten auch weniger Nebenwirkungen auf.

    Wichtig ist zu wissen, dass auch nach Einnahme des Antibiotikums Beschwerden noch 2 – 3 Tage vorhanden sein können, da nach Beseitigung der Erreger die Entzündungsreaktion des Körpers und damit die Beschwerden nur langsam abklingen.

    Bleibt nach der Einmal- bzw. Kurzzeittherapie trotz empfindlicher Erreger der Behandlungserfolg aus, muss überprüft werden, ob der Patient das Medikament tatsächlich korrekt eingenommen hat. Außerdem muss nach komplizierenden Faktoren und /oder einer Nierenbeteiligung der Harnwegsentzündung gesucht werden.

    Risikofaktoren für einen Misserfolg der Einmal- bzw. Kurzzeitbehandlung sind außerdem vorausgegangene Harnwegsentzündungen, Verhütung mit Vaginalpessaren und spermiziden Substanzen (Scheidenzäpfchen) und eine hohe Bakterienzahl im Urin (> 1.000.000/ml).

    Harnwegsentzündungen bei Männern sind nicht für eine Einmal- bzw. Kurzzeitbehandlung geeignet. Neben einer längeren Behandlungsdauer sollte bei Männern mit Harnwegsinfektionen auch immer von einem Urologen nach den Ursachen der Entzündung (z.B. gutartige Prostatavergrößerung) gesucht werden.

  • Unkomplizierte Niereninfektionen mit Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis)
    Bei einer unkomplizierten Nierenbeckenentzündung sollte über 7-14 Tage mit einem geeigneten Antibiotikum behandelt werden. In der Regel kann die Behandlung ambulant und mit Tabletten durchgeführt werden.
  • Schwere und komplizierte Nieren- und Harnwegsentzündungen
    Bei schwereren Nieren- und Harnwegsentzündungen, insbesondere verbunden mit Übelkeit und Erbrechen, hohem Fieber und Kreislaufbeschwerden sowie schwerem Krankheitsgefühl wird der Arzt zumindest in den ersten Tagen Infusionsbehandlungen mit Antibiotika einsetzen. Häufig werden dabei auch Medikamente kombiniert. Deshalb kann auch eine zumindest zeitweilige stationäre Behandlung erforderlich werden. Nach Besserung der Beschwerden erfolgt dann die Weiterbehandlung mit Tabletten. In besonders schwerwiegenden Einzelfällen kann es nötig sein die Therapie über einen größeren Zeitraum auszudehnen.

    Bei Eiteransammlungen in der Prostata oder in der Niere kann im Einzelfall auch eine chirurgische Intervention notwendig werden. Bei einer Harnstauung in der Niere z.B. aufgrund eines eingeklemmten Harnleitersteins mit einem gleichzeitig bestehenden bakteriellen Infekt der Harnwege kann die zeitnahe Anlage einer sog. Harnleiterschiene notwendig sein.

Allgemeine Maßnahmen zur Vorbeugung

Trotz der guten Behandlungsmöglichkeiten von akuten Harnwegsentzündungen und der Möglichkeit, einige Ursachen von Harnwegsentzündungen grundsätzlich operativ oder durch Medikamente zu beseitigen, leidet etwa ein Fünftel der Patienten – hier stehen wieder die Frauen im Vordergrund – unter laufend wiederkehrenden (rezidivierenden) Harnwegsentzündungen. Mit den gängigen Untersuchungsverfahren lässt sich hier oft keine zu beseitigende Ursache finden.

In diesem Fall sollten zunächst die folgenden Tipps, die in der unten genannten Liste zusammengefasst dargestellt sind, beachtet werden.

Sehr geehrte Patientin,


Sie leiden an gehäuften Blasenentzündungen. Deshalb empfehlen wir Ihnen, die folgenden Anweisungen genau einzuhalten, damit die Behandlung mit Medikamenten erfolgreich sein kann und keine oder seltener neue Entzündungen auftreten:

  1. Wenn Sie keine bekannte Herz- oder Nierenerkrankung haben, trinken Sie circa 2 Liter Flüssigkeit am Tag. Es sollten etwa 1,5 Liter Harn pro Tag ausgeschieden werden.

  2. Vermeiden Sie Stuhlverstopfungen, am besten durch reichliches Essen von Obst (v.a. Beerenfrüchte) und Gemüse sowie fermentierten Milchprodukten mit probiotischen Bakterienstämmen (Joghurt u.a.).
  3. Eine vorübergehende sexuelle Abstinenz kann eventuell die Wiederkehrrate von Harnwegsinfektionen senken.
  4. Falls Anal- oder Oralverkehr durchgeführt wird, sollte nicht direkt danach ein ungeschützter vaginaler Geschlechtsverkehr erfolgen.
  5. Keine Vaginalzäpfchen oder -cremes, Vaginalpessare oder mit Samenzellen abtötenden Substanzen beschichtete Kondome zur Empfängnisverhütung verwenden.
  6. Gehen Sie nach jedem Geschlechtsverkehr bald zum Wasserlassen.
  7. Schützen Sie sich vor Unterkühlung. Nasse Kleidung so schnell wie möglich, Badeanzüge sofort nach dem Bad wechseln.
  8. Bei Harndrang sofort zur Toilette gehen, nicht zu lange einhalten. Normal ist 4- bis 6-maliges Wasserlassen am Tag und maximal einmal in der Nacht.
  9. Beim Wasserlassen nicht mit der Bauchmuskulatur pressen, nicht in angespannter Hockstellung Wasser lassen, sondern sich entspannen.
  10. Nach dem Stuhlgang von vorne (Scheide) nach hinten (After) abwischen.
  11. Nicht übertrieben häufig den Intimbereich waschen, insbesondere nicht mit Seife und Desinfektionsmittel, Intimsprays oder Intimlotionen, auch keine Bidets benutzen. Mit all diesen Maßnahmen schädigen Sie nur den Säureschutzmantel Ihrer Haut. Am besten nur mit den Händen und mit warmem Wasser waschen und danach die Haut nur abtupfen.
  12. Die beste Reinigung für den Intimbereich ist ein Sitzbad ohne jede Zusätze in warmem Wasser, auch Wannenbäder sollten ohne Zusätze erfolgen.
  13. Alle Männer sollten täglich die Vorhaut, bzw. die Eichel bis zur Kranzfurche reinigen. Auch hier ist übertriebene Hygiene zu meiden. Eine Reinigung vor dem Geschlechtsverkehr ist selbstverständlich. Partner von Patientinnen mit häufig wiederkehrenden Harnblasenentzündungen und Vorhautverengungen oder häufigen Entzündungen an der Eichel sollten sich beim Urologen zur Untersuchung und Behandlung vorstellen.

Bei häufig wiederkehrenden Harnwegsentzündungen neigt man oft dazu, die Trinkmenge zu verringern, damit die Schmerzen und die Häufigkeit der Blasenentleerung nachlassen. Dies ist aber nicht günstig, weil Bakterien im verdünnten Harn eine schlechtere Vermehrungsmöglichkeit haben. Darüber hinaus muss bei stärker verdünntem Harn die Harnblase auch häufiger entleert werden, so dass ein erwünschter mechanischer Ausspüleffekt von eventuell in die Harnblase eingedrungenen Erregern erfolgt. Deshalb ist auf eine normale Trinkmenge von ca. 2 Litern zu achten. Bei schweren Erkrankungen von Herz oder Nieren sollte die Trinkmenge mit dem behandelndem Arzt abgestimmt werden.



Langzeitvorbeugung mit Antibiotika

Seit ca. vierzig Jahren ist die Vorbeugung (Prophylaxe) mit niedrig dosierten Antibiotika bei Harnwegsentzündungen eingeführt. Dabei wird die lange nächtliche Urinspeicher-phase durch wirksame Antibiotikaspiegel im Urin überbrückt. In den Harntrakt einge-drungene Erreger haben so keine Möglichkeit, die lange Harnverweilzeit in der Harnblase zur Vermehrung auszunutzen. In kontrollierten Untersuchungen haben sich bestimmte Antibiotika dafür bewährt. Täglich abends nach dem letzten Harn lassen wird für 3 Monate bis zu einem Jahr ¼ – 1/6 der Menge zur Vorbeugung eingenommen, die man sonst zur Behandlung einer akuten Harnwegsentzündung einsetzen würde. Geeignet sind Trimethoprim, Nitrofurantoin und eventuell Norfloxacin.

Die einmalige Behandlung mit einem Antibiotikum nach dem Geschlechtsverkehr und die Selbstbehandlung bei Beschwerden sind in ausgesuchten Fällen mögliche Alternativen. Diese Vorgehensweisen sollten mit dem behandelnden Arzt genau abgestimmt werden.

Unter der Langzeitschutzbehandlung treten nur sehr selten Harnwegsentzündungen als sogenannte „Durchbruchsinfektionen“ auf. Wichtig ist natürlich die Einnahme des Medikamentes nach den Vorgaben des Arztes, um während der Behandlung einen sicher vorbeugenden Schutz zu gewährleisten. Unter der Langzeitschutzbehandlung zusammen mit eingehender Beratung treten bei den meisten Frauen keine oder nur noch selten Harnwegsentzündungen auf.

Abschließende Bemerkungen

Es ist wichtig, dass alle Nieren- und Harnwegsentzündungen sehr genau dahingehend untersucht werden, welche Form der Entzündung vorliegt. Dies ist die Aufgabe des Urologen. Er führt dazu intensive Gespräche mit dem Patienten und wählt die notwendigen Untersuchungsverfahren aus. Daraufhin verordnet er ein geeignetes Medikament, um die Behandlung der akuten Beschwerden einzuleiten. Je nach Befund sind möglicherweise zusätzliche urologische Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden erforderlich. Bei häufig wiederkehrenden Entzündungen (Rezidiven) erfolgt eine intensive Beratung über vorbeugende Maßnahmen. Im Bedarfsfall wird hier eine Langzeittherapie angeboten, um die Häufigkeit lästiger, immer wiederkehrender Entzündungen zu vermindern.


Korrespondierender Autor:
Privatdozent Dr. med. Winfried Vahlensieck

Chefarzt der Fachklinik Urologie
Kurpark-Klinik
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Bad Nauheim
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