Hormondefizit des alternden Mannes

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Aufgrund der zunehmenden Lebenserwartung der Bevölkerung treten zunehmend auch gesundheitliche und psychologische Probleme bei alternden Männern in den Vordergrund, welche in Zusammenhang mit einem Testosterondefizit (Mangel an männlichen Geschlechtshormonen) stehen können. Zu dieser steigenden Lebenserwartung kommt hinzu, dass viele Männer auch jenseits des 60sten Lebensjahres ihr Leben weiter aktiv gestalten wollen und Einschränkungen, welche früher als „Alterungserscheinungen“ abgetan wurden, zunehmend weniger akzeptiert werden. Hierzu zählen sowohl eine eingeschränkte Erektionsfähigkeit, verminderte körperliche Leistungsfähigkeit, Stimmungsschwankungen und insbesondere das metabolische Syndrom (u.a. Kombination aus erhöhtem Blutdruck, Übergewicht, gestörter Fettstoffwechsel, Diabetes mellitus).

Dennoch kann bei entsprechenden Beschwerden eine Abklärung einer möglichen Hormonstörung und Beratung durch den Urologen und über den Hausarzt zu empfehlen sein, da sich verschieden Krankheitsbilder, welche durch eine Hormonstörung bedingt sein können, durch entsprechende Therapie lindern oder beseitigen lassen.

Sexualität, Hormone, Fruchtbarkeit und das Altern des Mannes

Auch wenn das Thema oft tabuisiert wird, so besitzen Männer und Frauen auch im höheren Alter weiterhin die Fähigkeit, sexuelle Gefühle zu empfinden und auszuleben. Bei den über 60-jährigen Männern geben 90% an, sexuell aktiv zu sein. Auch bei gesunden Männern jenseits des 80. Lebensjahres geben noch 60% an, Geschlechtsverkehr zu haben. Ein Sinken der sexuellen Aktivität ist meist auf gesundheitliche Beeinträchtigungen, aber oft auch auf die Erkrankung eines Partners oder das Fehlen eines Partners zurückzuführen. 

Auch wenn der Sexualität im Alter in weiten Teilen der Gesellschaft ablehnend begegnet wird, so wird die Bedeutung dieses Themas in einer alternden Gesellschaft dennoch steigen. Mit verschiedenen Lebensphasen des Mannes kommt es im Verlauf zu typischen Änderungen der Hormonspiegel im Körper. Während in der Pubertät hohe Spiegel von Wachstumshormonen (STH) im Körper vorliegen, kommt es hierbei im weiteren Lebensverlauf zu einer kontinuierlichen Abnahmen. Die Cortisolspiegel im Körper bleiben hingegen im Alter konstant.

Eine typische Altersveränderung erfahren Dehydroepiandrosteron- (DHEA) und Dehydroepiandrosteronsulfat (DHEAS)- Werte. Hierbei handelt es sich Vorläufermoleküle von Testosteron, welche in der Nebenniere gebildet werden. Die höchsten Werte weisen Männer zwischen dem 20 und 25 Lebensjahr auf. Danach sinken die Spiegel kontinuierlich ab. Um das 60igste Lebensjahr liegen die Plasmaspiegel daher nur noch bei etwa 1/3 der Ausgangswerte. Hinsichtlich der eigentlichen Testosteronwerte wurde lange Zeit diskutiert, ob eine krankheitsunabhängige und damit „normale“ Abnahme der Testosteronwerte im Alter geben würde. Nach zahlreichen Studien konnte letztlich im statistischen Mittel eine Abnahme der Testosteronspiegel im Alter festgestellt werden, allerdings weisen die Werte bei einzelnen Patienten eine erhebliche Streubreite auf. 

Mögliche Ursachen einer sinkenden Testosteronproduktion im Körper des alternden Mannes sind zum einen eine verminderte Produktion von Testosteron im Hoden aufgrund einer gestörten Funktion der dafür zuständigen Zellen. Häufig kann auch eine gestörte Ausschüttung der Steuerungshormone der Hirnanhangsdrüse die erniedrigten Testosteronspiegel mitbedingen. Eine weitere Ursache ist eine altersbedingte Zunahme eines Eiweißes im Blut (SHBG), welches Testosteron bindet. Damit steht weniger sog. freies Testosteron zur Verfügung, welches biologisch aktiv ist. Die Testosteronspiegel im Blut unterliegen tageszeitlichen Schwankungen. Die höchsten Werte werden jeweils in den Morgenstunden gemessen. Hiernach fallen die Werte im Tagesverlauf ab. Diese Rhythmik bleibt im Alter erhalten. Es spielt daher bei der Hormonbestimmung im Blut immer eine Rolle, zu welcher Uhrzeit die Blutentnahme erfolgt. Zur Testosteronbestimmung sollten Blutentnahmen am frühen Vormittag erfolgen.

Im Alter liegt der Anteil der Männer mit messbar erniedrigten Testosteronwerten (‹12nmol/l) unter den 60-80-Jährigen bei 20% und bei den über 80-Jährigen bei 33%. Andere Studien weisen auf einen Anteil von 40% unter Männern jenseits des 45. Lebensjahres mit einem Testosteronmangel hin. Hinsichtlich der Spermienproduktion und damit der Fruchtbarkeit gibt es nach bisherigen Erkenntnissen bei Männern jenseits des 50-60igsten Lebensjahres allenfalls nur leichte altersbedingte Einschränkungen. Häufiger ist das Alter der Partnerin Ursache einer ungewollten Kinderlosigkeit im mittleren oder höheren Lebensalter.

Symptome und Folgen eines Hormonmangels im Alter

Die Aufgaben von Testosteron im Körper des alternden Mannes sind vielfältig. Testosteron beeinflusst hierbei Libido (sexuelles Interesse), Potenz, Stimmungslage, intellektuelle Fähigkeiten, Blutbildung, Knochenstoffwechsel, Muskelmasse und Fettverteilung. Somit ist dieses Hormon von entscheidender Bedeutung für das Sexualleben, aber auch andere wichtige vitale Funktionen.

Folgen eines Testosteronmangels können daher ebenso vielfältig sein. Lustlosigkeit, Potenzstörungen, Stimmungsschwankungen bis zur Depression, Abnahme der Muskelmasse, Osteoporose, Zunahme des Bauchumfanges und eine leichte Blutarmut können hieraus resultieren.

Verschiedene Studien vermuten einen Zusammenhang zwischen einer erhöhten Sterblichkeitsrate und erniedrigten Testosteronspiegeln.

Hormonsubstitution im Alter

Wenn Teile der oben geschilderten Beschwerden bestehen und im Rahmen von mehrfachen morgendlichen Blutentnahmen erniedrigte Testosteronwerte gemessen wurden, kann eine Testosteronsubstitution in Betracht gezogen werden. Als positive Effekte können unter einer solchen Therapie eine Verbesserung der Muskelmasse und eine Abnahme der Bauchfettmasse erwartet werden. Bei Patienten mit gestörtem Zuckerstoffwechsel oder einem bekannten Diabetes mellitus kann durch die Therapie eine verbesserte Blutzuckereinstellung erreicht werden.

Im Fall der Osteoporose besteht durch eine langfristige Testosteronzufuhr die Möglichkeit, die Knochendichte zu erhöhen und damit Folgen wie Knochenbrüche zu vermeiden. In verschiedenen Kurzzeitstudien konnte zudem eine Verbesserung des körperlichen und psychischen Wohlbefindens erreicht werden. Häufig kann nach Ausgleich eines Testosteronmangels eine Normalisierung der Libido erreicht werden. Eine Verbesserung der Potenz ist ebenfalls möglich, wenngleich hier auch andere Faktoren neben dem Hormonmangel eine Rolle spielen können (siehe Kapitel Erektionsstörungen).

Möglichkeiten einer Hormonzufuhr

Für die Hormonzufuhr stehen heute mehrere Verfahren zur Auswahl.

Häufig werden Testosteron-Gele in verschiedenen Dosierungen verwendet. Diese werden in den Morgenstunden auf die Haut aufgetragen und vom Körper aufgenommen. Die Anwendung muss dabei täglich erfolgen. Der natürliche Tagesverlauf mit morgendlichen hohen Testosteronspiegeln und einer Abnahme im Tagesverlauf wird so nachgeahmt. Die Patienten sollten nach Anwendung gründlich die Hände waschen, um eine Übertragung der Hormone an ihre Umwelt zu vermeiden.  

Eine weitere Möglichkeit stellt die Verwendung von Depotspritzen dar. Es stehen Präparate zur Verfügung, welche in 10-14 wöchentlichen Abständen in die Muskulatur gespritzt werden. Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Anwendung nicht täglich erfolgen muss. Nachteile bestehen durch die regelmäßige Spritzenanwendung (Spritzenphobie, nicht bei gestörter Blutgerinnung oder Marcumar-Therapie) und die teils etwas schwierigere Einstellung der optimalen Testosteronwerte.

Kurzfristig wirksame Depotspritzen (Applikation alle 2-3 Wochen) führen zu deutlich ausgeprägteren Schwankungen des Wirkspiegels über die Zeit, die nicht optimal sind. 

Weitere Alternativen sind die Verwendung von Testosteronpflastern oder AndriolÒ-Kapseln zur oralen Einnahme, die allerdings nur kurzfristig wirksam sind (einige Stunden) und daher mehrmals täglich eingenommen werden müssen.

Risiken einer Testosteronbehandlung

Bis heute besteht kein Anhalt dafür, dass eine Testosteronsubstitution ein Prostatakarzinom auslöst. Ein bereits bestehender Prostatakrebs wird jedoch durch Testosteron im Wachstum gefördert. Bei bekanntem Prostatakrebs sollte eine Therapie mit Testosteron unterbleiben. Ausnahmefälle sind selten und nur nach intensiver Beratung und Risikoabwägung möglich. Um einen möglicherweise im Verlauf des Lebens auftretenden Prostatakrebs, ob mit oder ohne Testosteronsubstitution, früh zu erkennen, sollten entsprechenden Früherkennungsuntersuchungen angeboten werden. Wenn eine Therapie mit Testosteron erfolgt, ist eine Kontrolle mit PSA-Bestimmung und Tastuntersuchung der Prostata in den ersten 12 Monaten nach Aufnahme der Therapie in 3 monatlichen Abständen und danach in jährlichen Intervallen zu empfehlen. 

Unter einer Testosteronzufuhr kann zudem eine Stimulation der Blutbildung erfolgen. Hier sind regelmäßige Kontrollen des Blutbildes zu empfehlen, da eine erhöhte Anzahl von roten Blutkörperchen zu einem erhöhten Schlaganfall- oder Herzinfarktrisiko führen kann. Eine entsprechende fachmännische Einstellung der Testosteronwerte durch den Urologen ist daher unabdingbar. 

Fazit:
Ein symptomatischer Hormonmangel ist einfach zu korrigieren, er muss jedoch erkannt werden. Veränderungen während des Alterns sollten offen mit dem Arzt besprochen werden. Selbstverständlich sollte begleitend zur Therapie eine vernünftige Ernährung, körperliche Bewegung und die Vermeidung/Reduzierung von Alkohol und Nikotin die körperliche und seelische Fitness unterstützen. Für eine Abklärung etwaiger Beschwerden steht der Urologe zur Verfügung.

Quelle: Nieschlag E, Behre HM, Nieschlag S (Hrsg.) Andrologie: Grundlagen und Klinik der reproduktiven Gesundheit des Mannes. 3. Aufl., Springer, Berlin, Heidelberg