Harnableitung: Formen und Verfahren

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Bei verschiedenen Formen eines Blasentumors kann eine operative Entfernung der Harnblase notwendig sein. Zum Thema Blasenkrebs sei auf das gesonderte Kapitel verwiesen. An dieser Stelle werden die am häufigsten verwendeten Formen einer Urinableitung erklärt.
Im Rahmen einer operativen Blasenentfernung, der sogenannten Zystektomie, werden die Harnleiter der rechten und linken Niere durchtrennt. Die Harnleiter sorgen dafür, den in den Nieren gebildeten Urin zur Harnblase zu transportieren.
Wenn diese Harnleiter durchtrennt werden, muss entweder ein neues Speicherorgan, beispielsweise eine sogenannte Neoblase („neue Blase“), operativ rekonstruiert oder eine Verbindung der Harnleiter zur Körperoberfläche geschaffen werden, wie etwa bei einem Ileumconduit. Dadurch kann der Urin von den Nieren nach außen abfließen.

Die gebräuchlichsten Methoden zur Harnableitung

Die gebräuchlichsten Methoden zur Harnableitung sind:

  1. Ileumconduit
  2. Neoblase
  3. Katheterisierbarer Nabelpouch
  4. Harnleiter-Hautfistel

Ileumconduit

Das Ileumconduit ist eine häufig verwendete Methode der Harnableitung. In einer Operation wird die Harnblase entfernt, und die Harnleiter werden über ein Stück des Dünndarms mit der Bauchhaut verbunden. Damit entsteht dort ein „künstlicher Ausgang“, ein Stoma. Der Urin läuft dann in einen auf die Haut aufgeklebten Stomabeutel ab.

Das erwähnte Dünndarmsegment wird während der Operation aus dem körpereigenen Dünndarm entnommen und ist etwa 20-30 cm lang. Ein Ende des röhrenförmigen Dünndarmsegmentes werden die Enden der beiden Harnleiter eingepflanzt.

Das Segment wird wie ein Kanal durch die Bauchwand geleitet und als Stoma mit der Haut vernäht. So wird gewährleistet, dass der Urin ohne Widerstand von den Nieren nach außen abfließen kann. Gleichzeitig bietet die Konstruktion einen gewissen Schutz vor bakteriellen Infektionen.

Da der Urinfluss über das Stoma nicht willentlich vom Patienten beeinflusst werden kann und der Urin dauernd fließt, ist eine Versorgung mit Stomabeuteln notwendig. Diese Versorgung ähnelt der bei einem künstlichen Darmausgang. Die Beutel werden dicht auf die Haut geklebt, sodass weder Geruchsbelästigungen noch Undichtigkeiten auftreten. Unter der Kleidung ist der Stomabeutel nicht sichtbar. Das Fassungsvermögen entspricht etwa dem einer gesunden Harnblase.

Die Pflege und Entleerung des Stomas können von den meisten Patienten selbstständig durchgeführt werden. Stomatherapeuten stehen unterstützend zur Seite.

Vorteile des Ileumconduits

  • Kürzere Operationszeit im Vergleich zur Neoblase, was für ältere Patienten mit Begleiterkrankungen von Vorteil ist,
  • geringere perioperative Komplikationsraten,
  • niedrigere Langzeitkomplikationsraten, z. B. weniger narbige Verengungen an der Verbindungsstelle der Harnleiter oder am Stoma.

Nachteile des Ileumconduits

  • Narbige Verengungen an der Harnleiternahtstelle oder am Stoma können auftreten und unter Umständen Folgeoperationen erfordern.

Neoblase

Die Neoblase, übersetzt „neue Blase“, bezeichnet die operative Formung eines neuen Speicherorgans für Urin, das in der Regel aus einem Dünndarmsegment gebildet wird.

Vorteile der Neoblase

  • Ein neues Speicherorgan entsteht, das die Harnblase ersetzt und mit der Harnröhre verbunden wird.
  • Der Schließmuskel im Beckenboden bleibt erhalten, wodurch eine gute Kontinenz angestrebt wird.

Zur Bildung der Ersatzblase wird nach der Blasenentfernung ein etwa 60 cm langes Dünndarmsegment entnommen. Dieses Segment wird zur Neoblase umgeformt.

Details zur Operation

Das entnommene Darmsegment wird mit spezieller Nahttechnik zu einem Speicherorgan geformt, das in Form und Kapazität der ursprünglichen Blase ähnelt. Eine Seite wird mit den Harnleitern verbunden, die andere Seite mit der Harnröhre oberhalb des Schließmuskels.

Nach der Operation und Rehabilitation können Patienten im besten Fall die Blase bei voller Kontinenz selbstständig entleeren. Es besteht dann keine Notwendigkeit für Katheter oder Inkontinenzvorlagen.

Besonderheiten der Neoblase

  • Der Patient muss das Wasserlassen neu erlernen, da das Darmsegment keine aktive Muskelkontraktion wie der Blasenmuskel hat. Die Bauchmuskulatur wird zur Entleerung benötigt.
  • Ein Gefühl für den Füllungszustand der Neoblase muss trainiert werden, da kein Harndrang in der gewohnten Weise mehr auftritt.

Mögliche Nachteile der Neoblase

  • In der Anfangsphase nach der Operation ist Inkontinenz häufig, weshalb Inkontinenzvorlagen notwendig sind. Durch Rehabilitationsmaßnahmen erreicht jedoch ein Großteil der Patienten innerhalb von sechs Monaten ein gutes Kontinenzniveau.
  • Einige Patienten erreichen keine zufriedenstellende Kontinenz, was zu unkontrolliertem Urinverlust und eingeschränkter Lebensqualität führen kann.

Einschränkungen bei der Anwendung der Neoblase

  • Die Methode wird bevorzugt bei männlichen Patienten angewendet, da Frauen häufiger unter einem schwächeren Schließmuskel, Inkontinenz und damit verbundener Lebensqualitätsminderung leiden.
  • Die Neoblase ist für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion nicht geeignet, da das Darmsegment Stoffwechselprodukte aus dem Urin absorbiert, was bei einer schlechteren Nierenfunktion zu einer Übersäuerung des Körpers führen kann.

Harnleiter-Hautfistel

Die Harnleiter-Hautfistel ist die einfachste und schnellste Methode der Harnableitung. Hierbei werden die Harnleiter ohne ein zwischengeschaltetes Darmsegment direkt an die Haut eingepflanzt.

Details zur Technik

  • Da die Harnleiter sehr dünn sind und die Einpflanzungsstelle in der Haut zu narbigen Verengungen neigt, werden in der Regel Kunststoffschläuche (Harnleiterschienen) eingesetzt, um den Kanal offen zu halten und eine narbige Verengung zu vermeiden.
  • Diese Schienen müssen alle 4-6 Wochen ambulant gewechselt werden. Der Vorgang ist nicht schmerzhaft und erfordert keine Narkose.

Einsatzgebiet der Harnleiter-Hautfistel

Diese Methode wird vor allem bei älteren Patienten angewendet, bei denen schwerwiegende Begleiterkrankungen oder ein schlechter Allgemeinzustand andere Formen der Harnableitung zu riskant machen.

Katheterisierbarer Nabelpouch

Der katheterisierbare Nabelpouch (sprich: „Pautsch“) ist eine spezielle Form der Harnableitung, bei der das Speicherorgan, also der Hohlraum, häufig aus Dickdarmanteilen geformt wird. In den Pouch werden die Harnleiterenden eingepflanzt. Dann muss noch eine Verbindung zwischen dem Pouch und der Körperoberfläche hergestellt werden. Dazu wird, falls noch vorhanden, der Blinddarm als Verbindungskanal zum Nabel verwendet.

Durch eine spezielle OP-Technik wird sichergestellt, dass der Pouch über den Blinddarm-„Ausgang“ nach außen dicht verschlossen bleibt, so dass kein Urin unkontrolliert über den Bauchnabel austreten kann .

Die Öffnung am Bauchnabel ist verborgen und stört nicht aus kosmetischer Sicht. Um den gefüllten Pouch zu entleeren, schiebt der Patient mehrmals täglich einen Katheter durch die Öffnung am Bauchnabel in den Pouch. Der Urin läuft anschließend ab. Dieser Vorgang ist nicht schmerzhaft.

Vorteile des Nabelpouchs

  • Ästhetische Unauffälligkeit durch die unauffällige Öffnung am Bauchnabel.
  • Dichter Verschluss durch den in der Bauchwand herrschenden Druck.

Anwendung bei Frauen

Dieses Operationsverfahren wird häufig bei Frauen als Alternative zur Neoblase eingesetzt, da eine Urinverlust bei dieser Technik seltener auftritt.

Mögliche Nachteile und Komplikationen

  • Narbige Verengungen im Bereich der Öffnung am Bauchnabel können das Einführen des Katheters behindern. Folgeoperationen könnten notwendig sein, um die Engstelle zu beseitigen.
  • Über einen längeren Zeitraum können sich Steine im Pouch bilden, die operativ entfernt werden müssen.
  • Wie bei der Neoblase ist diese Technik für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ungeeignet.

Alternative Verfahren

Neben den beschriebenen Techniken gibt es weitere, jedoch weniger häufig verwendete operative Möglichkeiten zur Harnableitung.

Die Beratung zu diesen Verfahren erfolgt individuell durch den behandelnden Urologen oder in einer spezialisierten urologischen Klinik. Patienten, die für andere OP-Techniken infrage kommen, können entsprechend beraten werden.

Häufige Fragen zur Harnableitung

Welche Methode der Harnableitung ist die beste für mich?

Das hängt von mehreren Faktoren ab, darunter Ihre gesundheitliche Verfassung, Ihre persönlichen Vorlieben und Ihre Lebenssituation. Ihr Urologe wird Sie individuell beraten, welche Methode für Sie geeignet ist.

Wie verändert eine Harnableitung den Alltag?

Abhängig von der Methode können unterschiedliche Anpassungen erforderlich sein, z. B. die Pflege eines Stomas oder das Katheterisieren eines Nabelpouchs. Viele Patienten lernen schnell, mit den neuen Gegebenheiten umzugehen, und können ein weitgehend normales Leben führen.

Gibt es Risiken oder Komplikationen bei den Verfahren?

Alle Methoden bergen mögliche Risiken, wie etwa narbige Verengungen oder Infektionen. Auch langfristige Komplikationen wie Steinbildung können auftreten. Ihr Urologe wird Sie vor der Operation über mögliche Risiken und Komplikationen informieren.